14.04.1997
 

Verschleppung im Göktepe-Prozeß
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junge Welt

*  Verschleppung im Göktepe-Prozeß
Von Pascal Beucker

Verfahren um Ermordung des türkischen Journalisten unterbrochen.

Am vergangenen Freitag wurde in Afyon das Verfahren gegen die türkischen Polizisten fortgesetzt, die Anfang Januar letzten Jahres den Journalisten Metin Göktepe erschlagen hatten. Die Ermordung des 27 Jahre alten Reporters der linken Tageszeitung Evrensel hatte eine landesweite Protestwelle ausgelöst.

Noch bevor der dritte Verhandlungstag in dem Prozeß jedoch richtig begann, war er auch schon wieder beendet. Nachdem ein Antrag der Nebenklage, den Prozeß aus einem kleinen, auch nach Ansicht des Gerichtes baufälligen, Gerichtssaal in eine Sporthalle zurückzuverlegen, abgelehnt worden war, zweifelten die Anwälte die Unabhängigkeit des Gerichtes an und stellten einen Befangenheitsantrag. Das Gericht nahm die Gelegenheit zur Vertagung wahr - über den Befangenheitsantrag soll nun ein anderes Schwurgericht am 28. Mai entscheiden. Wenn es nach ihm gegangen wäre, erklärte der Vorsitzende Richter Kamil Serif in entlarvender Offenheit, würde die Verhandlung woanders stattfinden. Doch es geht nicht nach ihm: Nachdem Justizminister Sevket Kazan erklärt hatte, der Prozeß dürfe nicht weiterhin in einer Sporthalle stattfinden, hatte das Gericht nur zu exekutieren.

»Der Göktepe-Prozeß ist ein Zeichen für die Situation der türkischen Presse, für die Situation der türkischen Polizei und auch letztlich den Zustand der türkischen Politik, die den Vorfall Göktepe so lange wie es geht, zu vertuschen versuchte«, so der PDS-Parlamentarier Steffen Tippach, der sich mit einer Menschenrechtsdelegation des Bundestages bis zum Wochenende in der Türkei aufhielt. Denn das Besondere des Falles Göktepe ist, daß die Täter unbestreitbar feststehen: türkische Polizisten. Göktepe war am 8. Januar 1996 verhaftet worden, als er über die Beerdigung von zwei politischen Gefangenen berichten wollte, die im Istanbuler Gefängnis Umraniye erschlagen worden waren. An Mißhandlungen durch die Polizisten war Göktepe gestorben. In schriftlichen Aussagen vor einem Untersuchungsausschuß hatten einige der Polizeibeamten später zynisch begründet, warum der Journalist sterben mußte: Er hätte die Nationalhymne auf türkisch und den Gebetsruf auf arabisch nicht auswendig gewußt.


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