Die
Grünen-Politikerin Bärbel Höhn aus Oberhausen weiß,
wie man dem Widerstand die Spitze abbricht.
Als am 14. Mai 1995
feststand, daß die Zeit der SPD-Alleinregierung in
Nordrhein-Westfalen zu Ende war und nun Rot-Grün auf der
Tagesordnung stand, konnten die Grünen noch träumen.
Vollmundig verkündete die Spitzenkandidatin Bärbel
Höhn, nun stehe eine "Wende" in der
Landespolitik an. Von dieser Euphorie ist heute nichts
mehr übriggeblieben.
Dabei hätte sie es besser
wissen müssen. Schließlich kennt sie
sozialdemokratischen Beton nicht erst aus ihrer Zeit als
Fraktionssprecherin im Landtag von 1990 bis 1995. Denn
Höhn lebt in Oberhausen, eine dieser Ruhrgebietsstädte,
wo ein Besenstiel als Kandidat reicht, um absolute
Mehrheiten für die SPD zu gewinnen. Hier engagierte sich
die Mutter von zwei Kindern Anfang der achtziger Jahre in
Bürgerinitiativen und war aktiv in Frauen- und
Friedensbewegung.
1985 trat sie den Grünen
bei und zog für die Bunte Liste in den Stadtrat. Obwohl
außerhalb Oberhausener Stadtgrenzen weitgehend
unbekannt, wählten die NRW-Grünen Höhn 1989 zur
Spitzenkandidatin. Die Parteilinken hatten sie ins Rennen
geschickt. Auf Platz 2: ihr heutiger Ministerkollege
Michael Vesper vom Realo-Flügel. Als Fraktionsprecherin
profilierte sie sich ab 1990 durch scharfe Attacken gegen
den damaligen Umweltminister Klaus Matthiesen.
Als die Grünen 1995 mit
Höhn und Vesper auf Mitregieren setzen konnten, war von
Beginn an klar: Die abfallenden Ministerposten werden an
das Duo gehen. Die Aufgabenverteilung schien festgelegt:
Sie die "grüne Powerliesel" (taz), er der
"große Politiker". Vesper wurde für die
Medien zum Sunnyboy, Höhn zum Trutchen - eine grobe
Fehleinschätzung. Höhn, die bis heute aussieht wie eine
aus Oberhausen, stellte Vesper schnell in den Schatten.
Höhn nutzte - und nutzt -
beinahe perfekt die Möglichkeiten, die ihr Ministerium
für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft bietet. Ob
Dioxinskandal oder Abfallpolitik - zielsicher setzt sie
sich in Szene und bedient dabei nicht nur das grüne
Klientel: "Die Hoffnung, linke Politik zu machen,
habe ich immer dann, wenn mir Menschen im überfüllten
Nahverkehrszug aufmunternd auf die Schulter klopfen und
sagen: Nur weiter so!"
Höhn ist ein Glücksfall
für die Koalition, weil sie es immer wieder versteht,
sich an die Spitze der Unzufriedenen zu stellen, um dann
die Unzufriedenheit in Unterstützung der Koalition
umzubiegen. Denn der einzige Erfolg der Koalition ist,
daß es sie noch gibt. Wo grüne Essentials nicht schon
im Koalitionsvertrag unter den Tisch gefallen sind,
interpretiert die SPD das Abkommen nach ihrem Gutdünken.
So auch im Fall Garzweiler II. Gegen das Projekt votiert
natürlich auch Bärbel Höhn. Denn das ist ihre
Funktion. Je wortreicher sie zur Zeit noch für
programmatische Prinzipientreue eintritt, desto besser
wird sie später das absehbare Umfallen der Parteibasis
als bittere, aber unumgängliche Notwendigkeit verkaufen
können. Umzuschwenken, wenn "Pragmatismus"
gefragt ist - und noch die Parteimehrheit hinter sich zu
haben: keine versteht diese Kunst so gut wie Bärbel
Höhn.
"Ich bin praktisch
veranlagt und will handfeste Politik machen", lautet
ihr Credo. Dafür muß Rot-Grün halten, denn sonst
müßte sie ihren Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin
an der Duisburger Uni wieder antreten - keine reizvolle
Perspektive. Alleine das wird sie bis zuletzt für diese
Koalition streiten lassen - auch wenn Garzweiler II
kommt.
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