25.06.1997



Praktisch veranlagte Ökologin

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*   Praktisch veranlagte Ökologin
Von Pascal Beucker

Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn aus Oberhausen weiß, wie man dem Widerstand die Spitze abbricht.

Bärbel HöhnAls am 14. Mai 1995 feststand, daß die Zeit der SPD-Alleinregierung in Nordrhein-Westfalen zu Ende war und nun Rot-Grün auf der Tagesordnung stand, konnten die Grünen noch träumen. Vollmundig verkündete die Spitzenkandidatin Bärbel Höhn, nun stehe eine "Wende" in der Landespolitik an. Von dieser Euphorie ist heute nichts mehr übriggeblieben.

Dabei hätte sie es besser wissen müssen. Schließlich kennt sie sozialdemokratischen Beton nicht erst aus ihrer Zeit als Fraktionssprecherin im Landtag von 1990 bis 1995. Denn Höhn lebt in Oberhausen, eine dieser Ruhrgebietsstädte, wo ein Besenstiel als Kandidat reicht, um absolute Mehrheiten für die SPD zu gewinnen. Hier engagierte sich die Mutter von zwei Kindern Anfang der achtziger Jahre in Bürgerinitiativen und war aktiv in Frauen- und Friedensbewegung.

1985 trat sie den Grünen bei und zog für die Bunte Liste in den Stadtrat. Obwohl außerhalb Oberhausener Stadtgrenzen weitgehend unbekannt, wählten die NRW-Grünen Höhn 1989 zur Spitzenkandidatin. Die Parteilinken hatten sie ins Rennen geschickt. Auf Platz 2: ihr heutiger Ministerkollege Michael Vesper vom Realo-Flügel. Als Fraktionsprecherin profilierte sie sich ab 1990 durch scharfe Attacken gegen den damaligen Umweltminister Klaus Matthiesen.

Als die Grünen 1995 mit Höhn und Vesper auf Mitregieren setzen konnten, war von Beginn an klar: Die abfallenden Ministerposten werden an das Duo gehen. Die Aufgabenverteilung schien festgelegt: Sie die "grüne Powerliesel" (taz), er der "große Politiker". Vesper wurde für die Medien zum Sunnyboy, Höhn zum Trutchen - eine grobe Fehleinschätzung. Höhn, die bis heute aussieht wie eine aus Oberhausen, stellte Vesper schnell in den Schatten.

Höhn nutzte - und nutzt - beinahe perfekt die Möglichkeiten, die ihr Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft bietet. Ob Dioxinskandal oder Abfallpolitik - zielsicher setzt sie sich in Szene und bedient dabei nicht nur das grüne Klientel: "Die Hoffnung, linke Politik zu machen, habe ich immer dann, wenn mir Menschen im überfüllten Nahverkehrszug aufmunternd auf die Schulter klopfen und sagen: Nur weiter so!"

Höhn ist ein Glücksfall für die Koalition, weil sie es immer wieder versteht, sich an die Spitze der Unzufriedenen zu stellen, um dann die Unzufriedenheit in Unterstützung der Koalition umzubiegen. Denn der einzige Erfolg der Koalition ist, daß es sie noch gibt. Wo grüne Essentials nicht schon im Koalitionsvertrag unter den Tisch gefallen sind, interpretiert die SPD das Abkommen nach ihrem Gutdünken. So auch im Fall Garzweiler II. Gegen das Projekt votiert natürlich auch Bärbel Höhn. Denn das ist ihre Funktion. Je wortreicher sie zur Zeit noch für programmatische Prinzipientreue eintritt, desto besser wird sie später das absehbare Umfallen der Parteibasis als bittere, aber unumgängliche Notwendigkeit verkaufen können. Umzuschwenken, wenn "Pragmatismus" gefragt ist - und noch die Parteimehrheit hinter sich zu haben: keine versteht diese Kunst so gut wie Bärbel Höhn.

"Ich bin praktisch veranlagt und will handfeste Politik machen", lautet ihr Credo. Dafür muß Rot-Grün halten, denn sonst müßte sie ihren Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Duisburger Uni wieder antreten - keine reizvolle Perspektive. Alleine das wird sie bis zuletzt für diese Koalition streiten lassen - auch wenn Garzweiler II kommt.


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