04.09.1997



Friedenszug nach Kurdistan gestoppt

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*   Friedenszug nach Kurdistan gestoppt
Von Pascal Beucker

Nix is' mit dem Trip durchs wilde Kurdistan. Dabei war sich Hans Branscheidt, einer der Initiatoren, sicher: "Millionen Menschen in der Türkei und Kurdistan wünschen und erwarten den Friedenszug." Sie warteten vergeblich. Am 26. August wollte der "Europäische Friedenszug MUSA ANTER" - benannt nach dem am 20. September 1992 ermordeten kurdischen Schriftsteller - von Brüssel ins türkisch-kurdische Diyarbakir starten. Doch die Deutsche Bahn AG stoppte die Fahrt, noch ehe sie begann. Sie kündigte den Chartervertrag für den Sonderzug. Damit hat sich die türkische Regierung durchgesetzt. Sie forderte alle Durchreiseländer auf, den Zug nicht passieren zu lassen.

Initiator des "Europäischen Friedenszuges" ist der Verein "Appell von Hannover", vor eineinhalb Jahren mit dem Ziel gegründet, den "Prozeß der Demokratisierung in der Türkei und die unverzichtbare Achtung der Menschenrechte durchzusetzen". Noch am 26. August hatte Branscheidt, Vorsitzender des "Appells" und ein Freund der Superlative, verkündet: "Der Vertrag mit der Deutschen Bundesbahn ist unter Dach und Fach. Erstmals in der Geschichte der modernen Bürgerrechtsbewegung ereignet sich ein derartiges soziales Experiment." Er unterschätzte den Einfluß Ankaras auf Bonn. Bereits am 21. August gab das Bundesinnenministerium dem BGS die Anweisung, den ausländischen Teilnehmern die Einreise in die BRD zu verweigern, sie also an der deutsch-belgischen Grenze aus dem Zug zu holen. Es gebe Hinweise, daß es sich bei dem "Friedenszug" um eine Werbeveranstaltung für die PKK handele, so ein Ministeriumssprecher. Die Ministeriumsanweisung wurde auch der Bahn AG zugesandt. Die bekam kalte Füße und stornierte die Verträge.

Inzwischen hat sich ein Teil der Teilnehmer per Flugzeug auf nach Istanbul gemacht, um dann in Bussen nach Diyarbakir weiterzureisen. Die türkische Polizei hat angekündigt, jegliche "separatistische Propaganda" und "PKK-Werbung" zu unterbinden - alle Initiativen für einen Frieden in Kurdistan zählen dazu. Die vom "Appell" geplante Veranstaltung in Diyarbakir "mit erwartbaren 200 000 Menschen" (Branscheidt) dürfte somit kaum stattfinden.


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