17.01.1997



Meinung endet beim Geld

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Von Pascal Beucker

Prozeß in Köln: Redakteur gegen Herausgeber DuMont

Alfred Neven DuMont - Foto: Wolfgang JorzikDer Saal 107 im Kölner Arbeitsgericht war am Mittwoch überfüllt. Verhandelt wurde das Thema journalistische Freiheit.

Der Fall: Unter dem Titel „Vielfalt, die Verwirrung stiftet“ berichtete ein freier Journalist am 24. Juni 1996 im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Auflage: rund 288 000) über Reiseführer. Hartmut Schergel hatte den Beitrag, der zuvor schon in mehreren überregionalen Zeitungen veröffentlicht und von zwei Rundfunkanstalten gesendet worden war, angenommen und redigiert. Als verantwortlicher Redakteur für die Reisemagazin-Beilage kündigte er zwar den Artikel in der Redaktionskonferenz an und ließ ihn auch vom damaligen Chefredakteur Dieter Jepsen-Föge abnehmen. Doch es half ihm nichts: Der Zorn des Verlegers traf ihn mit voller Wucht.

„Krasses journalistisches Versagen“, „Geschäftsschädigung“, „Illoyalität gegenüber dem Arbeitgeber“ und Verstoß gegen die Tendenz des Verlages wird dem Redakteur vorgeworfen. Denn wenn es um seine Geschäfte geht, kennt der sich liberal gebende Alfred Neven DuMont kein Pardon. Daß ausgerechnet in seinem Blatt auf die Gefahr einer möglichen Verquickung der journalistischen Tätigkeit des Mutterhauses M. DuMont Schauberg bei dem Münchner Studienreiseveranstalter Klingenstein hingewiesen wurde - das ging zu weit. Schergel wäre zu einem „publizistischen Sicherheitsrisiko“ geworden, das für den Verlag nicht länger tragbar sei, so DuMonts Anwalt Ernst Eisenbeis.

Die Fachgruppe Journalismus der IG Medien verlieh Alfred Neven DuMont Ende November 1996 den „Goldenen Maulkorb“: Er habe „weit über die Grenzen Kölns hinaus gezeigt, daß er als Verleger und Herausgeber bereit ist, faktengetreue Berichterstattung ureigenen wirtschaftlichen Interessen zu opfern“.

Die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht dauerte eine halbe Stunde. Zu einer gütlichen Einigung war der Zeitungsverlag M. DuMont Schauberg nicht bereit. Wenn einer Verkäuferin gekündigt werden dürfe, weil sie ein Stück Bienenstich ihres Arbeitgebers gegessen hätte, dann wäre die Kündigung eines Redakteurs, der weit unverdaulichere Kost in die Zeitung gebracht hätte, nur recht und billig, so der Verlagsanwalt. Er konnte nicht überzeugen. Die Richter entschieden für Schergel. Die Kündigung ist rechtswidrig. Neven DuMont hat die Gerichtskosten zu tragen. Er kündigte Berufung an.

Bei Neven DuMont müssen nicht nur wirtschaftliche, Interessen beachtet werden. Vor zwei Jahren referierte er auf einer „Perspektivdiskussion des Herausgebers mit den Ressortleitern“ der „Mitteldeutschen Zeitung“. Tenor: Mit der PDS „sei ein anderer Umgang angezeigt als gegenüber den demokratischen Parteien einschließlich der Grünen, die ihre Demokratiefähigkeit nachgewiesen haben.“ Das Magdeburger Modell könne mit verdeckter oder offener Duldung durch die PDS und deren einhergehender Aufwertung nicht sein Verständnis finden. Die Ausführungen gerieten in die Hände der PDS-Landtagsfraktion, die eine Parlamentsdebatte ankündigte. Am gleichen Tage veröffentlichte die „Mitteldeutsche Zeitung“ Auszüge aus der Rede ihres Herausgebers DuMont. Obige Zitate fehlten.

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