27.09.1997



Zerwürfnis 97 / Die Grünen im Rat

Startseite
taz

*   Zerwürfnis 97 / Die Grünen im Rat
Von Pascal Beucker

In Witten streiten sich zwei Stadtratsfraktionen mit harten Bandagen, die richtige Vertreterin der Bündnisgrünen zu sein. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Witten - Zoff bei den Wittener Bündnisgrünen. Nach einer Spaltung streiten sich gleich zwei Fraktionen im Rat darum, die wahre Vertretung von Bündnis 90/Die Grünen zu sein. Der Konflikt beschäftigte inzwischen nicht nur die Parteigremien, sondern auch das Verwaltungsgericht.

Am 23. Juni verließen vier Ratsmitglieder die achtköpfige Wittener Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und gründeten eine eigene Fraktion, die "Grüne Alternative". Ihrem bisheriger Fraktionssprecher Klaus Riepe werfen Helmut Dannert, Gabriela Didic, Hildegard Doebner und Malte Schmidt zu große Nähe zur CDU vor. Nun droht ihnen der Parteiausschluß wegen parteischädigenden Verhaltens. Die vier Aussteiger-Innen vermuten hingegen, daß sie aufgrund "ihrer antifaschistischen Grundhaltung" ausgeschlossen werden sollen.

Auslöser für den Fraktionsaustritt der "Gruppe Schmidt" ist ausgerechnet der größte Erfolg, den Bündnis 90/Die Grünen in Witten erringen konnte: Am 22. Juni war ein von ihnen maßgeblich initiierter und unterstützter Bürgerentscheid gegen ein von der absoluten SPD-Mehrheit im Stadtrat beschlossenes Großbauprojekt mit der Zustimmung von 77 Prozent der abgegebenen Stimmen erfolgreich. Doch hatte der Bürgerentscheid und das vorangegangene Bürgerbegehren aus der Sicht der FraktionsaussteigerInnen einen entscheidenden "Schönheitsfehler": Nicht nur Bündnisgrüne waren an der Organisation beteiligt gewesen, sondern ein breites Bündnis Wittener BürgerInnen - unter ihnen der lokale CDU-Chef Michael Hasenkamp, der mit bündisgrüner Hilfe populär gemacht worden sei. Hasenkamp gilt als "rechtslastig" und ist auch in seiner eigenen Partei umstritten. Ihm werden Kontakte zu Rechtsradikalen nachgesagt. "Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung", so die DissidentInnen, sei, ob eine Zusammenarbeit mit solch einem Politiker angestrebt und aktiv betrieben werden sollte. Die Schmidt-Gruppe lehnt dies ab. Als Konsequenz sei den Ratsmitgliedern nur der Fraktionsaustritt geblieben, den sie einen Tag nach dem Bürgerentscheid auf einer Ratssitzung erklärten.

Klaus Riepe, seit 1990 Sprecher der Bündnisgrünen im Wittener Rat, hält die gegen ihn erhobenen Vorwürfe für "schlicht unsinnig". Er sieht die SPD hinter den Kulissen wirken. Sie habe im Verlauf des Bürgerbegehrens immer wieder versucht, das Bild von der "neonazistischen Krake Hasenkamp" aufzubauen, um "in die Opposition eine Spaltung hineinzutragen". Diese SPD-Strategie trage jetzt innerhalb von Bündnis 90/Die Grünen ihre Früchte. Hasenkamp sei zwar eine "obskure Figur" und "einer der zweifellos rechte Positionen vertritt, die ich nicht teile", jedoch kein Rechtsradikaler. Eine weitergehende Zusammenarbeit über das Bürgerbegehren hinaus mit Hasenkamp und der CDU sei nie in Erwägung gezogen worden. Laut Riepe, der Ende der 80er zu den MitbegründerInnen des "Linken Forums" bei den NRW-Grünen gehörte, hätten seine ehemaligen KollegInnen zudem immer wieder versucht, ihn mit anderen Themen anzugreifen. "Da hat sich unheimlich viel an intransparenten Mist zusammengebraut", so Riepe zur taz-ruhr.

Unterstützung erhält Riepe vom Kreisverband Ennepe-Ruhr der Bündnisgrünen, dem Witten untergliedert ist. Er beantragte am 2. Juli den Parteiausschluß der Schmidt-Gruppe "zum schnellstmöglichen Zeitpunkt". Schmidt, Dannert, Didic und Doebner handelten in "allerbester Jutta Ditfurth-Manier unendlich parteischädigend", so Kreisgeschäftsführer Markus Herzberg. Er hält den Vorwurf, Riepe würde als Steigbügelhalter eines rechtskonservativen CDU-Politikers agieren, für haltlos und vorgeschoben, denn Riepe sei "immer noch ein Linker". In dem Konflikt ginge es nicht zuletzt um "persönliche Eitelkeiten" auf Kosten der Partei. Im September berät das bündnisgrüne Landesschiedsgericht über den Ausschlußantrag.

Der Wittener Ortsverband hat sich indes hinter die Schmidt-Gruppe gestellt. Eine Mitgliederversammlung sprach Riepe das Mißtrauen aus und erklärte die Gruppe um Schmidt zu ihrer Vertretung im Rat. Die "Grüne Alternative" benannte sich daraufhin um, so daß es für knapp einen Monat gleich zwei Ratsfraktionen gab, die sich "Bündnis 90/Die Grünen" nannten.

Am 29. Juli bereitete das Verwaltungsgericht Arnsberg dem Verwirrspiel ein vorläufiges Ende. Es entschied, daß die Alt-Fraktion um Riepe die "echten" Bündnisgrünen im Rat seien. Jetzt überlegt der Ortsverband, ob er der Riepe-Fraktion juristisch den Namen "Bündnis 90/Die Grünen" entziehen kann.

Mit der "Wittener Affäre" beschäftigt sich auch der grüne Landesvorstand. Er versucht die KontrahentInnen in Schlichtungsverhandlungen wieder zusammenzubringen. Die Chancen stehen schlecht. Die Lokalpresse hat hingegen die beiden Fraktionen längst als "Zerwürfnis 90/Die Grünen" rhetorisch wiedervereinigt.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen beim Autor. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors.