19.03.1998
  Erfolg für türkische Studenten
Urteile sind ungültig / Polizei knüppelt Kommilitonen nieder
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Frankfurter Rundschau

*  Erfolg für türkische Studenten
Von Pascal Beucker

ANKARA, 18. März. Das Kassationsgericht in Ankara hat die Urteile gegen acht Studenten aufgehoben, denen wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung der Prozeß gemacht worden war. Im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung vor dem Staatssicherheitsgericht seien gravierende Rechtsfehler begangen worden, urteilte das Kassationsgericht. Vor allem sei nicht hinreichend geklärt worden, ob die illegale Organisation, der die Studenten angehören sollen, überhaupt besteht. Nun wird eine andere Kammer des Staatssicherheitsgerichts den Fall neu aufnehmen müssen.

Die angeklagten Studenten waren im Oktober 1996 festgenommen worden, nach dem sie im türkischen Parlament ein Transparent entrollt hatten, auf dem sie gegen Studiengebühren protestierten. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen "Mitgliedschaft und Unterstützung einer verbotenen, bewaffneten Organisation, die sich zum Zwecke der gewaltsamen Veränderung der staatlichen Ordnung organisiert". Das Sicherheitsgericht verurteilte vier Studenten zu jeweils 18 Jahren Gefängnis, einen zu zwölf Jahren und drei Studenten zu dreieinhalb Jahren. Das Urteil hatte zu landesweiten Studentenprotesten geführt. "Wir haben von Anfang an vertreten, daß eine solche illegale Organisation nicht besteht", erklärte Aydin Erdogan, Verteidiger der Studenten. Jetzt müsse die Staatsanwaltschaft Beweise für ihre gegenteilige Auffassung liefern. Sie hatte sich bisher nur auf Geständnisse der Studenten berufen. Die sind fragwürdig: "Die Studenten wurden bei den polizeilichen Vernehmungen massiv gefoltert, sie haben das zugeben müssen, was ihnen von der Polizei vorgelegt worden ist", so Erdogan.

In mehreren türkischen Städten fanden anläßlich der Urteilsverkündung Solidaritätsaktionen von Studierenden statt. In Ankara wurde eine Protestkundgebung von einem Großaufgebot der Polizei gewaltsam aufgelöst. Die Polizisten gingen dabei mit äußerster Brutalität gegen die friedlich demonstrierenden Studenten vor. Mehr als 100 Studenten wurden verhaftet, mehrere Dutzend zum Teil schwer verletzt. Auch in Istanbul kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Die Entscheidung des Kassationsgerichts und die studentischen Proteste wurden von mehreren Delegationen bundesdeutscher Hochschulen und Studentenvertretungen beobachtet. Dem AStA-Vorsitzenden der Uni Duisburg, einem deutschen Staatsbürger türkischer Herkunft, nahmen Polizisten in Ankara seinen deutschen Paß ohne Begründung ab.


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