05.02.1998



Vom ehrlichen Makler zum Angstgegner

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*   Vom ehrlichen Makler zum Angstgegner
Von Pascal Beucker

Wolfgang Clement sorgt dafür, daß die Grünen der SPD in NRW nicht ins Handwerk pfuschen.

Wolfgang Clement"Der Tagebau Garzweiler II kommt." Wolfgang Clement zieht Linie: "Ihr könnt euch darauf verlassen: Kein Bagger wird stehenbleiben!" Dafür stehe er gerade. Die 5 000 Bergleute, die zum 14. ordentlichen Parteitag der nordrhein-westfälischen SPD am vergangenen Samstag nach Dortmund gereist sind, um für das geplante Megaloch am Niederrhein zu demonstrieren, jubeln. Wer geglaubt hat, nach dem gerade knapp abgewendeten Bruch der rot-grünen NRW-Landesregierung würde Wirtschaftsminister Clement nun behutsamer mit dem kleinen Koalitionspartner umgehen, hat sich gründlich geirrt. Bereits in der von der CDU beantragten Sondersitzung des Landtages vor zwei Wochen zum umstrittenen Braunkohleprojekt ließ er keinen Platz für grüne Hoffnungen: "Damit wir uns klar verstehen."

Auch das Ergebnis Clements bei seiner Wiederwahl zum stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden ist nicht mißzuverstehen: Von 310 Stimmen erhielt er 257 und bleibt mit dieser 83,7-prozentigen Zustimmung nur knapp unter seinem Resultat von vor zwei Jahren. Seine Mitstellvertreterin Gabriele Behler, als Parteilinke und explizite Rot-Grün-Befürworterin Clements Gegenspielerin, wurde hingegen abgestraft. Sie erhielt nur 179 Stimmen und schafft mit 58,7 Prozent nur knapp das Klassenziel. Die SPD steht hinter dem designierten Nachfolger von Ministerpräsident Johannes Rau. "Wo wären wir denn, wenn nicht Wolfgang Clement immer wieder mit klarer, deutlicher Handschrift geschrieben hätte?" bringt Klaus Matthiesen, der SPD-Fraktionsvorsitzende im NRW-Landtag, die Stimmung des Parteitages auf den Punkt. Denn in allen wichtigen Punkten habe sich die SPD gegenüber den Grünen in der Landespolitik durchgesetzt: "Flughafenausbau und Straßenbau, Förderung von Bio- und Gentechnik, Ja zur PVC-Herstellung" - nicht unmaßgeblich ein Verdienst Clements.

Der "Machertyp" Clement, der neben dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder als Wortführer der "Modernisierer" in der SPD gilt, vertritt einen harten, auf Standortwettbewerb fixierten Kurs. Ökologische oder soziale Aspekte spielen in seinen Überlegungen keine Rolle. Wenn es um die Durchsetzung fragwürdiger wirtschafts- und verkehrspolitischer Projekte geht, kennt er keine Kompromisse. Das Problem der Grünen: Sie kommen an ihm nicht vorbei - schließlich steht er an der Spitze eines "Superministeriums", in dessen Zuständigkeit alle Sprengsätze des rot-grünen Bündnisses fallen: die gesamte Energiepolitik, Garzweiler II, der Flughafen- und Straßenbau. Er weiß seine Kompetenzen zu nutzen: Keiner versteht es so gut wie der 57-jährige, die Grünen am Nasenring durch die Regierungsmanege zu führen. Und entsprechend hassen und fürchten die NRW-Grünen keinen SPD-Politiker so sehr wie Clement.

Das war nicht immer so. Denn ausgerechnet Wolfgang Clement gilt als der "Architekt" von Rot-Grün in NRW. Er überwand im Frühjahr 1995 mit seinem Verhandlungsgeschick alle Koalitionsklippen. Als "ehrlichen Makler" lobte ihn damals der grüne Parteisprecher Rainer Priggen, und nicht wenige Grüne wünschten sich den damaligen Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei eher heute als morgen zum Nachfolger von Rau. Sie verwechselten den ausgeprägten Machtinstinkt des kettenrauchenden Langstreckenläufers mit politischer Sympathie für das rot-grüne Projekt.

Clements Karriere begann zu legendärer Zeit. Nach dem ersten juristischen Staatsexamen geht er 1968 als politischer Redakteur zur Westfälischen Rundschau und avanciert zum stellvertretenden Chefredakteur. Schon während seines Jura-Studiums hatte er als Volontär für die Dortmunder Tageszeitung gearbeitet. 1981 macht Willy Brandt den ehrgeizigen und arbeitswütigen Journalisten, der 1970 in die SPD eingetreten war, zum ersten Pressesprecher. Im Juni 1985 wird er zum Stellvertreter von Bundesgeschäftsführer Peter Glotz befördert. Für den Kanzlerkandidaten Rau organisiert er den Bundestagswahlkampf. Als dessen Niederlage absehbar ist und es über die absurde Wahlkampfstrategie einer "eigenen Mehrheit" für die SPD zum Streit im SPD-Präsidium und vor allem mit Willy Brandt kommt, wirft Clement 1986 die Brocken hin. Er geht als Chefredakteur zum ehemals sozialdemokratischen Boulevardblatt Hamburger Morgenpost. Im Januar 1989 holt ihn sein Freund Johannes Rau zurück in die Politik und überträgt ihm die Leitung der Düsseldorfer Staatskanzlei. Bereits ein Jahr später gilt er als aussichtsreichster Kandidat für die Rau-Nachfolge.

Das ist Clement bis heute geblieben. Denn alle Spekulationen der letzten Jahre über einen vorzeitigen Rücktritt Raus haben sich als verfrüht erwiesen. Auch alle zunehmend ungeduldiger erscheinenden Hinweise des Mitte 1993 in den Landtag nachgerückten Prinz Charles aus Bochum, Rau solle den richtigen Zeitpunkt für seinen Abtritt nicht verpassen, halfen nicht. "Man soll mir nicht diktieren, wie lange ich im Amt bleibe, sondern es mir überlassen", so Rau. Vor Ende 1998 wird er wohl nicht abtreten, spekulieren inzwischen die Genossen in Bonn und Düsseldorf. Am 20. September könnte Rau sein 20jähriges Amtsjubiläum feiern. Es spricht zur Zeit nichts dafür, daß sich der dienstälteste Ministerpräsident der Republik dieses Datum entgehen läßt - da kann Clement drängeln wie er will. So wird er erstmal weiter sein Mütchen an den hilflosen Grünen kühlen müssen.

Die Popularität des heiligen Johannes wird sein Kronprinz ohnehin nicht so schnell erreichen können. Bei Landtagswahlen wird der Rau-Bonus für die SPD nach Umfragen in der Bevölkerung auf rund zehn Prozent geschätzt. Auf dem Landesparteitag am Wochenende erhielt Rau bei seiner Wiederwahl zum SPD-Landesvorsitzenden 286 von 309 Stimmen - himmlische 92,6 Prozent. Davon kann der kühle Politikmanager Clement vorerst nur träumen.


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