19.02.1998



Studis für den Wettbewerb

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*   Studis für den Wettbewerb
Von Pascal Beucker

Nachdem die Regierungsparteien das Hochschulrahmengesetz beschlossen hat, steht nun das Verbot von Studiengebühren im Bundesrat zur Disposition.

Das geplante Gesetz sei "in seiner jetzigen Form nicht geeignet, die Bedeutung von Wissenschaft und Ausbildung in einer modernen Leistungsgesellschaft hinreichend zu würdigen" - harte Kritik mußte sich Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers von der Hamburger Wissenschaftssenatorin Krista Sager (Bündnis 90 / Grüne) am vergangenen Freitag im Bundestag anhören. Auf der Tagesordnung stand das neue Hochschulrahmengesetz (HRG), gegen das noch Ende letzten Jahres Hunderttausende Studenten auf die Straße gegangen waren.

Doch Sagers Kritik konnte den Minister nicht treffen. Gerade darum geht es ihm schließlich bei der Hochschulreform: "um die Anforderungen in einer modernen Leistungsgesellschaft". Monatelang hatte er mit den Ländern gerungen, um eine breit getragene Reform zustande zu bringen. Und so nah dran war er gewesen: Im August letzten Jahres konnte Rüttgers einen Gesetzesentwurf präsentieren, von dem sogar Oskar Lafontaine begeistert war: "Das neue Hochschulrahmengesetz beseitigt bürokratische Hemmnisse und gibt den Hochschulen mehr Freiräume. Es bringt mehr Leistungsanreize und mehr Wettbewerb", erklärte der SPD-Vorsitzende. Der saarländische Ministerpräsident damals: "Wir begrüßen es, daß es bei den Verhandlungen über die Hochschulreform zwischen Bund und Ländern eine Einigung gegeben hat."

Das ist jedoch Schnee von gestern. Die SPD-geführten Länder sind auf Ablehnungskurs gegangen: Eine Zustimmung sei nur möglich, wenn das Verbot von Studiengebühren festgeschrieben wird. Das aber lehnt Rüttgers mit Rücksicht auf die CDU-Wissenschaftsminister von Baden-Württemberg und Berlin, Klaus von Trotha und Peter Radunski, ab. Beide sind ausgewiesene Gebührenbefürworter. Auch im bisherigen, von der SPD-Bundesregierung 1976 eingeführten HRG gibt es kein Verbot von Studiengebühren. Doch nun hat die SPD gegenüber der Koalition erkannt: "Das von ihnen verweigerte gesetzliche Verbot von Studiengebühren verändert unser Bildungssystem radikal. Bildung wird zur Ware", so die SPD-Bildungspolitikerin Doris Odendahl in der Debatte vom Freitag. Rüttgers blieb hart. Die Reform werde "entweder mit oder trotz der SPD" zustande kommen, sagte er vor dem Parlament. Auch die Warnung des bildungspolitischen Sprechers von Bündnis 90 / Die Grünen, Matthias Berninger, ohne ein bundeseinheitliches Verbot von Studiengebühren, komme es zu einer "studentischen Völkerwanderung", schreckte die Regierungskoalition nicht: Mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP wurde das neue Hochschulrahmengesetz vom Bundestag beschlossen.

Nun sollen die Hochschulen bei den bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen eigene Auswahlverfahren für bis zu 20 Prozent der Studienplätze vornehmen können. Die Regelstudienzeit für Fachhochschulstudiengänge mit Diplom-Abschluß wird auf höchstens vier Jahre, für alle übrigen Studiengänge auf maximal viereinhalb Jahre festgeschrieben. Allerdings sind Sanktionen bei Überschreitung nicht vorgesehen. In allen Studiengängen mit mindestens vier Jahren Regelstudienzeit wird eine obligatorische Zwischenprüfung vorgeschrieben. Ein Leistungspunktsystem soll die Mobilität der Studierenden erhöhen. Außerdem soll man künftig an deutschen Hochschulen auch die international üblichen Abschlüsse Bachelor und Master erwerben können. Darüber hinaus soll bei der zentralen Studienplatzvergabe "Leistung" höher bewertet werden. Eine Reihe von Paragraphen, die bislang die innere Organisation der Hochschulen regelten, entfallen. Die inneruniversitäre Machtverteilung kann damit neu geregelt werden. So wird es möglich, externe "Aufsichtsräte" einzurichten. Zudem erhalten die Hochschulen die Möglichkeit, Gelder künftig stärker nach Leistungen in Forschung und Lehre wie auch nach Erfolgen bei der Förderung von wissenschaftlichem Nachwuchs und Frauen zu vergeben.

Am 6. März berät nun der Bundesrat über das neue HRG. Wahrscheinlich wird die Länderkammer den Vermittlungsausschuß anrufen, um so doch noch ein Verbot von Studiengebühren durchzusetzen. Strittig ist allerdings, ob das Gesetz der Zustimmungspflicht durch den Bundesrat unterliegt. Wenn nicht, könnte der Bundestag den Vermittlungsausschuß überstimmen und so das neue HRG alleine mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP durchsetzen. Diese Auffassung vertritt die Bundesregierung und beruft sich auf eine verfassungsrechtliche Prüfung, mit der sie glaubt, die rot-grüne Mehrheit in der Länderkammer aushebeln zu können. Diese Rechtsauffassung stößt auf den erbitterten Widerstand von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen. Beide werfen der Regierung vor, einen "Verfassungskonflikt" heraufzubeschwören. Schließlich tangiere das Gesetz eindeutig Länderkompetenzen. Es könne nicht sein, so der rheinland-pfälzische Bildungsminister Jürgen Zöllner (SPD), daß "die Länder die Rechnung bezahlen, während der Bund die Gesetze macht". Er kann sich auf zwei Rechtsgutachten stützen, unter anderem vom früheren Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz, Hans-Uwe Erichsen, nach denen das Gesetz die Kulturhoheit der Länder berühre - ein wesentliches Element des grundgesetzlich verankerten Föderalismus. So drohte denn auch Krista Sager mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Gesetz sei "rechtlich gesehen unbedingt zustimmungspflichtig", aber "politisch gesehen nicht zustimmungsfähig", erklärte die Grünen-Politikerin im Bundestag.

Und die Studierenden? "Unsere Ansprüche an eine Hochschulreform spielen auch weiterhin in der Debatte keine Rolle", meint die 23jährige Germanistikstudentin Irina Neszeri aus Duisburg. Sie ist Vorsitzende des Anfang Februar gegründeten "Bündnisses linker und radikaldemokratischer Hochschulgruppen", in dem sich undogmatisch-linke Studierendenlisten aus verschiedenen Städten zusammengeschlossen haben. Das jetzt im Bundestag verabschiedete Gesetz folge dem Prinzip: "Mehr Kapitalismus, weniger Studierende an die Hochschulen", so Neszeri. Da wäre weder Platz für die Verwirklichung des Grundrechtes auf Bildung, noch für mehr Demokratie an den Hochschulen. Doch so recht scheint das die Mehrzahl der Studierenden inzwischen nicht mehr zu interessieren. Gerademal rund hundert Nachwuchsakademiker waren am Freitag nach Bonn gereist, um gegen die Verabschiedung des neuen HRG zu demonstrieren.


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