19.08.1998



Turbund Sturmwerk

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Jungle World

*   Turbund Sturmwerk
Von Pascal Beucker

Rechtsextreme auf der Popkomm.

Was er denn davon halte, daß ein braunes Label auf der diesjährigen Popkomm ausstellt? Für einen Moment verschwindet die gute Laune aus Dieter Gornys Gesicht. Der Popkomm-Gründer und Viva-Chef ist sichtlich verärgert über den Fauxpas. "Raus damit!" sagt er entschlossen. Er wäre auch nicht vor einem Rechtsstreit zurückgeschreckt, wenn er zu entscheiden gehabt hätte. Hatte er aber nicht.

Eine dumme Sache, die da passiert war. Am Eröffnungstag waren die Veranstalter u.a. von der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Messe in diesem Jahr mit einer Neuerung aufwarten würde: Rechtsextreme auf der Popkomm. Leider zu spät. Maßnahmen gegen den Aussteller könnten nicht mehr ergriffen werden, heißt es im "Statement des Popkomm.-Veranstalters Musik Komm. zum Aussteller 'VAWS'". Das habe eine juristische Prüfung ergeben - ein "aus unserer persönlichen Sicht unbefriedigendes Ergebnis".

Wie hätte man vor Vertragsabschluß mit dem Aussteller wissen können, was sich hinter VAWS, dem Verlag + Agentur Werner Symanek, verbirgt? Schließlich war auch die Staatskanzlei nicht selber drauf gekommen und mußte von einer grünen Landtagsabgeordneten alarmiert werden.

So steht Werner Symanek nun mit einem kleinen Stand auf der Popkomm. Von Protesten gegen ihn habe er auf der Messe nichts mitbekommen, bemerkt er kurz vor Schluß des dritten Messetages. Von den Veranstaltern habe sich jedenfalls niemand blicken lassen.

Das verwundert, denn in der Erklärung der Popkomm-Macher hieß es: "Um sofort gegen eine Verbreitung rechtsradikalen Gedankengutes einschreiten zu können, hat die Musik Komm. Vorkehrungen getroffen, welche die regelmäßige Überprüfung des Standes des Ausstellers ermöglichen." Nicht einmal diese Erklärung will Symanek gekannt haben. Nur einmal sei eine Punkerin vorbeigekommen und habe gemeint, auf einer seiner CDs seien doch Nazi-Titel. "Aber die wollte dann auch eine Promo-CD."

Ensprechend ungestört konnte das "deutsche Untergrund-Label" seine "Neuheiten" auf der Popkomm präsentieren, z.B. das Electro-Industrial-Projekt Feindflug, außerdem im Angebot: eine "Electro-Industrial-Compilation", die sich einem "umstrittenen Künstler" widmet: Josef Thorak. Unter den "sechzehn internationalen Szene-Größen": Stalingrad, Von Thronstahl, Turbund Sturmwerk, Forthcoming Fire und die SA-Fans von Death In June mit Titeln wie "Fahnenträger", "Hingabe" und "Kameradschaft".

Warum Thorak umstritten ist und ihn gerade deshalb der VAWS mit einer CD-Compilation "ehrt", erfährt man nicht in der Produktinformation: Er war neben Arno Breker der bedeutendste Bildhauer des Dritten Reiches. Erstmalig huldigte Symanek vor zwei Jahren einer "umstrittenen Künstlerin": Leni Riefenstahl. Er würde eben "gerne ein bißchen provozieren", erklärt der VAWS-Chef. Werner Symanek ist einschlägig bekannt. Er und sein Kleinunternehmen sind im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht 1997 unter "Rechtsextremismus" verzeichnet.

Der Verleger fühlt sich mißverstanden. Sein Wirken sei von "Nationalismus und Freiheitsstreben" geprägt, und er wolle "Extremen ein Forum bieten". Anstößiges kann er daran nichts finden, schließlich habe er bis vor kurzem auch Werke Stalins im Angebot gehabt. Der VAWS vertreibt Bücher, die "nicht die üblichen Hetztiraden gegen Deutschland und seine Geschichte" beinhalteten, wie es in der Eigenwerbung heißt. Z.B. die Tagebücher des persönlichen Pressereferenten Joseph Goebbels', des "interessantesten Politikers des Dritten Reiches". Im Musikangebot finden sich die Schallplatten des Nazi-Sängers Frank Rennicke, so die LP "Schinders Liste".

Über den braunen Verlag konnten bis vor kurzem die Unabhängigen Nachrichten bezogen werden, in denen laut VS-Bericht NRW "vor allem die Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geleugnet, fremdenfeindliches Gedankengut verbreitet und die Bundesrepublik Deutschland verunglimpft" wird. Mit den Unabhängigen Nachrichten hat Symanek inzwischen angeblich nichts mehr zu tun. Es habe Differenzen in Stilfragen gegeben. Von den Inhalten der rechtsextremistischen Postille distanziert er sich gleichwohl ausdrücklich nicht. Symanek werden außerdem Kontakte zur militanten Neonazi-Szene nachgesagt.

Und so einer auf Europas größter Musikmesse? Eine Veranstaltung wie die Popkomm sei "ein Spiegel der Gesellschaft und kein Steuerungsinstrument", heißt es im "Statement" der Veranstalter. Beim nächsten Mal wollen sie trotzdem besser aufpassen.


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