02.09.1998



Säbelrassel-Wettbewerb

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*   Säbelrassel-Wettbewerb
Von Pascal Beucker

Parteien und Kosovo-Intervention.

Der Rekrut auf dem Plakat hat sein strahlendstes Lächeln aufgesetzt. "Frieden wählen!" verkündet freudestrahlend der junge Herr mit dem Barett. Ein CDU-Plakat wie eine letzte Warnung für Belgrad, obwohl es da gar nicht hängt.

"Frieden wählen!" Sonst schaut der nette deutsche Soldat nicht mehr so freundlich. "Das müssen die Serben wieder begreifen", teilte Wehrminister Volker Rühe der Frankfurter Rundschau mit: "Sie müssen mit einem Militärschlag rechnen, wenn sie ihre Aggressionen fortsetzen."

Einen Monat vor der Bundestagswahl ist noch einmal kräftiges Säbelrasseln angesagt. Bislang war die Regierung der Linie von Außenminister Klaus Kinkel gefolgt: Keine Militärintervention in Serbien ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates. Letzte Woche wurde diese Position auf Druck Rühes revidiert. Schluß mit der Rücksichtnahme auf das renitente Rußland, das sich wie China immer noch gegen einen Weltpolizei-Einsatz auf dem Amselfeld sperrt. Zwar sei ein UN-Mandat weiter der "Königsweg", weiß Schröders liebster CDU-Mann, aber wenn Rußland diesen Weg versperre und "die Serben im Schatten des russischen Vetos ihre Militäraktionen durchführen, können wir uns nicht zum Zuschauen degradieren lassen". Auch Helmut Kohl meint nun, es gebe einen Punkt, "wo die Weltgemeinschaft handeln muß, auch wenn der Sicherheitsrat in dieser Situation nicht handlungsfähig ist".

Für das Auswärtige Amt ist die Frage, ob ein UN-Mandat notwendig sei, plötzlich nur noch eine "akademische Diskussion". Ein Nato-Militäreinsatz bedürfe einer "tragfähigen rechtlichen Grundlage", merkt es an. Für Rühe ist das kein Problem: "Die gesicherte rechtliche Grundlage dafür wird es geben, ebenso wie die planerische Vorbereitung der Nato - und es wird auch eine deutsche Teilnahme geben." Vielleicht noch vor dem 27. September: "Falls es in den nächsten Wochen nötig wird, den Bundestag um etwas zu bitten, werden wir dafür Wege finden."

Die SPD bietet dem Bundesverteidigungsminister erwartungsgemäß entschieden Paroli. Ihr außenpolitischer Koordinator Günter Verheugen stellte zu "Rühes verwegenem Vorschlag" fest, dem sei "in mancher Hinsicht beizupflichten". In der "Annahme, daß es Rühe um eine glaubwürdige militärische Drohung gegen Milosevic geht", sei es hinzunehmen, daß er "weiter heftig auf ein militärisches Eingreifen im Kosovo-Konflikt" dränge. Aber ein vollwertiges Mitglied dieser neuen deutschen Friedensbewegung möchten die Sozialdemokraten schon sein. Deshalb stößt der Vorschlag, einen "Vorratsbeschluß" des Bundestages zu treffen, welcher der Bundesregierung freie Hand gäbe zu entscheiden, ob und wann sie die Tornados in den Wahlkampfhimmel steigen läßt, auf Verheugens entschiedene Ablehnung: "Die Sache ist überhaupt nicht diskussionswürdig."

Und die Bündnisgrünen? Die machen sich Sorgen um die politisch korrekte Bekleidung der deutschen Soldaten. Der Gesamtverband der deutschen Textilveredelungsindustrie hat ihnen nämlich verraten, daß die Bundeswehr im Kosovo komplette Kampfanzüge und konfektionsfertige Gewebe herstellen lasse. Die Tarndruck-Anzüge würden nach einem hochkomplexen Verfahren hergestellt, da unter anderem gewähr- leistet sein müsse, daß die Soldaten für Nachtsichtgeräte des Feindes unsichtbar sind, weiß der bündnisgrüne Parlamentarier Winfried Nachtwei. Sollten die Angaben der Textilveredler stimmen, sei das ein "unglaublicher politischer Skandal". Schließlich würde dann das Verteidigungsministerium sowohl "das Milosevic-Regime stabi- lisieren" als auch "kriegswichtige serbische Unternehmen ökonomisch unterstützen". Das Rühe-Ministerium hat eine umgehende Prüfung zugesagt.

Auch die Verteidigungspolitische Sprecherin der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, Angelika Beer, hat bei Volker Rühe schärfsten Protest angemeldet. In einem "Offenen Brief" teilte sie dem Minister am vergangenen Donnerstag ihre "Empörung" mit. Im schleswig-holsteinischen Boostedt habe sie das CDU-Plakat mit dem netten Soldaten entdeckt. Es impliziere, "die Bundeswehr ist nicht Parlamentsheer, sondern CDU-Heer". Und: "Wer die CDU nicht wählt, ist gegen den Frieden." Das sei eine "kaum vorzustellende Ungeheuerlichkeit". Wo doch die Grünen längst nicht mehr im Abseits stehen, wenn es darum geht, mit der Bundeswehr den Frieden zu wählen. Da wird sich die CDU noch zu entschuldigen haben. 


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