16.09.1998



Expo light

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*   Expo light
Von Pascal Beucker

Finanzdesaster in Hannover.

Immerhin: Die telefonische Kartenbestellung für die Expo 2000 in Hannover funktioniert. Expo-Chefin Birgit Breuel hat es selber schon ausprobiert: Unter falschem Namen orderte sie zwei Karten und bekam sie umgehend. Die Ex-Treuhandchefin und ehemalige niedersächsische Finanzministerin wird noch häufiger die Karten-Hotline bemühen müssen.

Denn daran, daß sich außer ihr noch weitere 40 Millionen Menschen Karten für die Weltausstellung besorgen, die am 1. Juni 2000 in Hannover starten soll, glaubt inzwischen niemand mehr. Der Expo droht ein finanzielles Desaster. Die Expo-2000-Organisatoren waren mit einem großen Ziel angetreten: Erstmalig sollte eine Weltausstellung den Steuerzahler keine müde Mark kosten.

Mit einer "schwarzen Null" werde die Großveranstaltung abschließen, tönte immer wieder die Expo-Generalkommissarin und -Geschäftsführerin Breuel. Doch ihre Berechnungen basierten auf falschen Zahlen: Den Kosten von 3,029 Milliarden Mark wurden Einnahmen in Höhe von 3,039 Milliarden Mark gegenübergestellt. Über die Hälfte davon sollte durch den Ticketverkauf erwirtschaftet werden. Mit 40 Millionen Besuchern könnte gerechnet werden, hatte die Unternehmensberatung Roland Berger zu Beginn der Planungen behauptet. Und mit 40 Millionen rechnete die Expo-Geschäftsführung.

Doch Berger hat sich nun korrigiert: Seine Experten gehen inzwischen nur noch von einer Besucherzahl von 35 Millionen aus, im schlimmsten Fall kämen sogar nur zwischen 28 bis 32 Millionen. Das ergäbe einen Einnahmeverlust zwischen einer halben und einer Milliarde Mark.

Die bisher bereits der Expo gewährte Bürgschaft von 970 Millionen können der Bund und das Land Niedersachsen wohl abschreiben. Breuel fordert darüber hinaus jetzt zusätzliche Investitionen von 400 Millionen Mark. Ansonsten sei eine erfolgreiche Weltausstellung nicht zu realisieren und der Verlust werde noch größer. Die Grünen sehen darin eine "Erpressung zusätzlicher Steuergelder".

Die Expo-Chefin steht unter Druck: In einem bisher von der niedersächsischen Landesregierung unter Verschluß gehaltenen Prüfbericht des Landesrechnungshofes wird der Expo-Gesellschaft vorgeworfen, sie habe ihre Finanzprobleme dem Aufsichtsrat nicht vollständig und zudem verspätet offengelegt.

Am 25. September will die Expo-Gesellschaft nun ihrem Aufsichtsrat zwei alternative Wirtschaftspläne vorlegen. Plan A hält an dem Ziel fest, die Weltausstellung verlustfrei abzuschließen. Dafür müßten umfangreiche Sparmaßnahmen ergriffen und das Konzept deutlich abgespeckt werden. Das Risiko dabei: Eine "Expo light" könnte noch weniger Besucher anlocken. Plan B hingegen hält an dem bisherigen Konzept fest - und rechnet mit einem gehörigen Defizit. Was die Breuel-Truppe präferiert, war zu erwarten: "Für uns Exponauten ist die Sache klar: Wir wollen Plan B", erklärte Presse-Chef Ginsberg.

Die portugiesischen "Exponauten" haben solche Diskussionen bereits hinter sich. Ihre Weltausstellung in Lissabon wird am 30. September ihre Pforten schließen. Anfang August wurde Expo 1998-Finanzdirektor Jo‹o Caldeira von der Polizei festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, Sponsorengelder in die eigene Tasche gesteckt zu haben. Das kann Birgit Breuel mangels Masse nicht passieren: Auch die Sponsoreneinnahmen liegen bislang bei der Expo 2000 weit hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück.


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