11.11.1998



Grünes Licht für rote Zahlen

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*   Grünes Licht für rote Zahlen
Von Pascal Beucker

Expo-Chefin Breuel bekommt die Lizenz zum Schuldenmachen.

In Niedersachsen laufen die Vorbereitungen für die Expo 2000 auf vollen Touren. Nachdem Expo-Chefin Birgit Breuel inzwischen endlich den ersten Spatenstich für den deutschen Pavillon tätigen durfte, wird nun fieberhaft an dem nächsten wichtigen deutschen Beitrag für die Weltausstellung gearbeitet: dem Bau eines eigenen Expo-Gefängnisses.

Wie die Hannoversche Allgemeine am vergangenen Donnerstag berichtete, wird es möglicherweise im Gebäude der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) am Flughafen in Langenhagen eingerichtet werden. Entsprechende Pläne, die ZASt für rund zehn Millionen Mark mit neuen Sicherheitsvorkehrungen zu versehen und in ein Gefängnis umzuwandeln, bestätigten Sprecher des niedersächsischen Justiz- und des Finanzministerium. Eine endgültige Entscheidung sei jedoch noch nicht gefallen.

Mit dem Expo-Knast könnte auch ein bislang unbewältigtes Problem der Organisatoren des Mammutprojektes gelöst werden: Nach einem bisher unveröffentlichten Prüfbericht des Landesrechnungshofs Niedersachsen vom Frühjahr dieses Jahres, aus dem das Fernsehmagazin "Monitor" in der vergangenen Woche zitierte, fehlen der Expo bislang noch "in erheblichem Umfang Übernachtungsmöglichkeiten", um die erwarteten Besuchermassen zu beherbergen.

Die Polizei warnt schon seit längerem davor, die Expo werde "wie ein Magnet" auf Straftäter wirken. Und nach der Weltausstellung könnte das Gebäude eine weitere Verwendung als Abschiebeknast für Asylbewerber finden, so die Überlegungen der SPD-Landesregierung.

Birgit Breuel hat unterdessen wieder Hoffnung geschöpft. Auf der letzten Aufsichtsratssitzung bekam sie grünes Licht für ihre kreative Anwendung der neuen bundesdeutschen Farbenlehre: Schwarz ist out, Rot ist in. Das gilt nun auch offiziell für die Finanzen der Weltausstellung.

Gebetsmühlenartig hatte Breuel in der Vergangenheit versichert, die deutsche Weltausstellung im Jahr 2000 würde als erste der Geschichte rein privatwirtschaftlich finanziert werden können und den Staat keinen Pfennig kosten. Eine "schwarze Null" sei das Ziel. Von Anfang an war das nicht mehr als ein Rechentrick: Man rechne zum einen diverse Kosten, die die Stadt Hannover, das Land Niedersachsen und der Bund tragen müssen, erst gar nicht ein und setze zum zweiten die erwarteten Besucherzahlen so hoch, bis die Zahlen stimmen.

Jetzt muß die Ex-Treuhandchefin endlich nicht mehr eine Milchmädchenrechnung als seriöse Finanzplanung ausgeben. Die "schwarze Null" ist vom Tisch, es darf mit einem ordentlichen Defizit gerechnet werden: 400 Millionen Mark sind fest einkalkuliert, es können aber auch ruhig mehr sein. Entsprechend wertete Breuel die fünfeinhalbstündige Sondersitzung des Aufsichtsrates der Expo GmbH als einen "Befreiungsschlag". Der neue Wirtschaftsplan gäbe dem Unternehmen Weltausstellung eine "stabile Grundlage, auf der wir vernünftig weiterarbeiten können".

Auch der ehemalige DDR-Dissident und heutige Expo-Berater Richard Schröder begrüßte die Entscheidung. Der SPD-Politiker und Theologe teilte dem Berliner Tagesspiegel in einem Interview mit, er halte "es für kleinkrämerisch, sich jetzt darüber aufzuregen, daß die Geschäftsführung die schwarze Null nicht erreicht". Schließlich sei die Expo "eine nationale Aufgabe".

Der vom Aufsichtsrat 582 Tage vor Beginn der Expo 2000 in Hannover einstimmig gebilligte neue Wirtschaftsplan sieht eine Aufstockung der Bürgschaften von Bund und dem Land Niedersachsen um 800 Millionen Mark vor. Somit kann die Expo-Gesellschaft nun bis zur Eröffnung der Ausstellung im Sommer 2000 Kredite im Gesamtumfang von 1,77 Milliarden Mark aufnehmen, die im Zweifelsfall der Staat zurückzuzahlen hat. Nach eigenen Angaben hat die Expo davon bislang bereits 580 Millionen Mark in Anspruch genommen. Noch vor gut einem Jahr wollte sie sich mit Bürgschaften in Höhe von 4,7 Millionen Mark bescheiden. Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler Niedersachsen geht von weiteren Belastungen der öffentlichen Haushalte aus: "Ich befürchte, daß das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist und daß wir mit weiteren Forderungen zu rechnen haben, Forderungen nach öffentlichen Geldern."

Die Bundesregierung und die niedersächsische Landesregierung werden auf jeden Fall mit zusammen mindestens 400 Millionen Mark nach Abschluß der Weltausstellung zur Kasse gebeten werden. Denn auch wenn die Expo ihr Traumziel von 40 Millionen Besuchern erreichen sollte, bleibt gemäß der neuen Planung ein entsprechendes Einnahmedefizit. Die renommierte Unternehmensberatung Roland Berger und Partner hatte erst kürzlich in einem Gutachten ebenso wie der niedersächsische Landesrechnungshof die anvisierte Besucherzahl für unrealistisch erklärt. Mit jeder Million Besucher jedoch, um die das 40-Millionen-Ziel verfehlt wird, vergrößert sich das Minus um 40 Millionen Mark. Zur Weltausstellung in Sevilla kamen gerade mal 20 Millionen zahlende Besucher. Für Hannover würde dies eine Vergrößerung des Defizits auf 1,2 Milliarden Mark bedeuten, das aus den Haushalten des Bundes und des Landes Niedersachsen zu begleichen wäre.

Größte Gesellschafter der Expo GmbH sind die Bundesrepublik mit 40 Millionen Mark, Niedersachsen mit 30 Millionen Mark und die Beteiligungsgesellschaft der deutschen Wirtschaft mit 20 Millionen Mark. Die Stadt Hannover ist mit sechs Millionen Mark beteiligt, der Landkreis Hannover und der Kommunalverband Hannover mit je zwei Millionen Mark. Expo-Aufsichtsratsvorsitzender Helmut Werner kommentierte die Entscheidung zur zusätzlichen Expo-Alimentierung hoffnungsfroh: "Nun sind die Weichen für eine erfolgreiche Expo gestellt."

Der neue niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD) plant derweil bereits den nächsten Finanzcoup. Er setzt sich dafür ein, daß die Expo-Gesellschaft doch noch von der Umsatzsteuer befreit wird. Dies hatte die alte CDU/CSU/FDP-Bundesregierung stets abgelehnt. Der Oldenburger Nordwest-Zeitung erklärte Glogowski: "Ich meine, daß es vernünftig wäre, das Sonderobjekt Expo von der Steuer zu befreien." Bund und Länder dürften nicht auch noch an der Expo verdienen. Der Ministerpräsident ist bereits mit seinem Amtsvorgänger, Bundeskanzler Gerhard Schröder, darüber im Gespräch, wie Niedersachsens Finanzminister Heinrich Aller gegenüber "Monitor" bestätigte.

Die Berliner Zeitung meint, viele Expo-Kritiker hätten "scheinbar vergessen, daß an der Expo kein Weg mehr vorbei führt". Sie würden sich deshalb durch einen "Mangel an Vernunft und Realitätsbewußtsein" auszeichnen. Kritik sei nicht mehr angebracht. Es gehe nur noch darum, daß die Weltausstellung ein "großer gesellschaftspolitischer und wirtschaftlicher Erfolg für Deutschland" werde. Das wird sie sicherlich. Birgit Breuel wird die Expo zu einem ähnlichen Erfolg machen wie die Sanierung der DDR-Wirtschaft durch die Treuhand. Auf die hanseatische Bankierstochter ist Verlaß.

Und auf den neuen Bundeskanzler auch. Für die Expo ist Gerhard Schröder schließlich nichts zu teuer. Immerhin verkündete er bereits einen Tag nach der Bundestagswahl in der Bundespressekonferenz: "Die Weltausstellung wird ein Erfolg werden. Dafür werde ich sowohl in dem einen als auch dem anderen Amt sorgen. Und der Rest wird mit dem neuen Finanzminister besprochen."


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