23.12.1998



Nur Elefanten dürfen rein

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Jungle World

*   Nur Elefanten dürfen rein
Von Pascal Beucker

Atom-Konsens ohne Trittin.

Jürgen Trittin mag zur Zeit nichts recht gelingen. Entschlossenheit hatte der Grüne demonstrieren wollen. Ohne zu Zögern widerrief der Bundesumweltminister die Einfuhrgenehmigung für vier Jungelefanten aus Südafrika. Pustekuchen. Mitte letzter Woche gab das Verwaltungsgericht Köln den Klagen der Zoos von Erfurt und Dresden recht und hob den Trittinschen Importstopp auf. Es war nicht die einzige Schlappe, die Trittin in der vergangenen Woche einstecken mußte.

Großspurig hatte er Anfang November angekündigt, noch vor Weihnachten werde die Regierung eine erste Novelle des Atomgesetzes in den Bundestag einbringen. Nun hat es der Entwurf nicht mal bis ins Kabinett geschafft. Nicht nur bei Schröder und der Atomlobby stieß der Trittin-Vorschlag auf scharfe Kritik. So zeigte ÖTV-Chef Herbert Mai, was sich für einen deutschen Gewerkschaftsfunktionär gehört, und beklagte, Trittin beabsichtige, der Wirtschaft "Daumenschrauben" anzulegen. Diesen Rückfall in die finstersten Zeiten des Sozialismus hat Schröder erstmal zunichte gemacht, als er die Vorlage stoppte.

Was gegen die Trittin-Novelle vor allem spricht, brachte die Frankfurter Rundschau auf den Punkt: "Sie macht deutlich, was juristisch machbar" - und nicht, was politisch opportun ist. Die Vorlage enthält etwa einen sofortigen Stopp der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente. Schröder und die Atomindustrie behaupten, das könnte zu Schadensersatzansprüchen aus Frankreich und Großbritannien führen. Schlicht gelogen. Denn die werden in den Verträgen im Falle "höherer Gewalt" ausgeschlossen - und dazu gehören "einschränkende Maßnahmen" der Bundesregierung.

Wahr ist allerdings, daß die deutschen Stromkonzerne tief in ihre Taschen greifen müßten: Denn RWE & Co. haben mehr als 54 Milliarden Mark als steuerfreie Rückstellungen in ihren Bilanzen stehen. Die Verbraucher zahlen etwa 1,4 Pfennig pro Kilowattstunde Strom für diese Rückstellungen. Im Falle eines Aufbereitungsverbotes wären diese Gelder steuerpflichtig. Bei den Konzernen würden dann Bescheide in Höhe von mehreren Hundert Millionen Mark fällig. Das will weder die Atomindustrie noch die SPD. Vor diesem Hintergrund fand auch das Gespräch Schröders mit den Spitzen der Stromwirtschaft statt, bei dem Trittin außen vor bleiben mußte.

Die dort gefundene Einigung, nach der in den nächsten 20 Jahren 19 Atommeiler vom Netz genommen werden sollen, ist reine Augenwischerei. Bis dahin hätten sowieso fast alle deutschen AKW das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Auch die Abschaltung zweier Meiler in dieser Legislaturperiode kann schwerlich als Einstieg in den Ausstieg ausgegeben werden. "Nur der Politik wegen wird in den nächsten vier Jahren kein Reaktor stillgelegt", hat Wirtschaftsminister Müller Mitte November festgestellt. Wenn es in den nächsten Jahren Abschaltungen gibt, dann weil der Weiterbetrieb unwirtschaftlicher wäre als die Stillegung. Für Schröder und Müller bleibt die Linie klar: Ausstieg mindestens zum Nulltarif , wenn nicht gar mit Gewinn für die Stromkonzerne. Das bedeutet: auf Kosten der Verbraucher. Neben der Einführung der Ökosteuer soll denn auch nach den Vorstellungen Müllers ein "Zukunftspfennig" bei den Konsumenten zu Buche schlagen: Die Energieversorger sollten ihre Preise um 0,5 Pfennig je Kilowattstunde erhöhen, um damit Alternativen zur Kernenergie zu finanzieren. Trittin hat prompt widersprochen.

Doch es spricht nichts dafür, daß er sich im anstehenden Koalitionsausschuß gegen die Atomindustrie durchsetzen wird. Schon Trittins Nichteinladung zum Gespräch mit den Strommanagern hat gezeigt, wie sich Schröder die Zusammenarbeit vorstellt. Überdies mehren sich hinter den Kulissen auch in den eigenen Reihen die Stimmen, die von Trittin eine "gemäßigtere" Politik fordern. So bezeichnete der grüne Fraktionsvorsitzende Rezzo Schlauch den Vorschlag eines 20jährigen Ausstiegsszenarios als "Angebot, über das man reden könnte". Aus dem Umkreis Joseph Fischers verlautete, mit dem von Schröder favorisierten Konzept könne man gut leben. Trittin solle sich lieber etwas zurücknehmen.

Das Bundesamt für Naturschutz hat inzwischen gegen die Elefanten-Eilurteile Einspruch eingelegt. Damit solle verhindert werden, daß die Tiere vor einer endgültigen Entscheidung nach Deutschland geholt und so vollendete Tatsachen geschaffen werden, teilte das Umweltministerium mit. Jürgen, der Kampf geht weiter!


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