10.02.1999



Hombachs günstiger Marmor

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*   Hombachs günstiger Marmor
Von Pascal Beucker

Schröders Kanzleramtsminister und Lieblings-Ghostwriter soll bei der Errichtung seiner Prunkvilla in Mülheim an der Ruhr von der Veba Immobilien AG finanzstarke Unterstützung erfahren haben.

"Junge, das stehst du durch." Die aufmunternden Worte seines Chefs kann Kanzleramtsminister Bodo Hombach zur Zeit gut brauchen. Denn das Zwei-Zentner-Schwergewicht an Schröders Seite droht über eine Affäre zu stolpern, die er für längst erledigt hielt.

In ihren neuesten Ausgaben berichten Spiegel und Focus, Hombachs ehemaliger Bauleiter Hans Hebers beschuldige ihn, bei seinem Hausbau 1986 Bauleistungen für mindestens 200 000 Mark nicht bezahlt zu haben. Vor der Bochumer Staatsanwaltschaft hat der ehemalige Veba-Mitarbeiter ausgesagt, der damalige Landesgeschäftsführer der nordrhein-westfälischen SPD sei im Rahmen des konzerneigenen VIP-Service der Veba Immobilien AG betreut worden. Die Rechnungen für den insgesamt 1,5 Millionen Mark teuren Hausbau seien teilweise gesplittet gewesen: Ein Teilbetrag sei Hombach offiziell in Rechnung gestellt worden, den Rest habe die Veba auf andere Projekte des Konzerns "umgelegt". Damit widerrief Hebers frühere anderslautende Aussagen - und brachte Hombach in Bedrängnis.

Seit Monaten laufen Prozesse gegen Ex-Topmanager von Veba. Es geht um Veruntreuungen und Betrug in Millionenhöhe. Auf Kosten ihrer Mieter soll der größte private Immobilienbesitzer der Bundesrepublik schwarze Kassen angelegt haben, aus denen Luxusbedürfnisse von Spitzenmanagern und -politikern befriedigt worden sein sollen. Dafür seien Nebenkostenabrechnungen manipuliert worden. Für den Bochumer Staatsanwalt Bernd Bieniossek, "besteht der Verdacht, daß derartige Manipulationen bereits in den siebziger Jahren vorgekommen sind und sich bis in die neueste Zeit hingezogen haben".

Eine weitere Manipulationsvariante: Veba-Manager ließen Teile ihrer privaten Baukosten für Gartenhäuser, Weinkeller oder Teichanlagen "umbuchen". Die Veba habe über spezielle VIP-Betreuer verfügt, sagte der ehemalige Veba-Immobilien-Prokurist Rolf-Dieter Weinreich vor Gericht, die "ausschließlich oder überwiegend die Aufgabe" gehabt hätten, "private Leistungen an führende Veba-Mitarbeiter oder denen nahestehende Personen, sogenannte VIPs, zu erbringen und anschließend in den Bauvorhaben der Veba zu verrechnen". Nach den Aussagen seines früheren Bauleiters Hebers und des Ex-Vebavorstandsmitglieds Michael Kretschmer, war Hombach einer dieser "VIPs".

Die Begebenheit liegt über dreizehn Jahre zurück. Das damals 33jährige sozialdemokratische Wunderkind ließ sich gerade ein extravagantes Haus in Mülheim an der Ruhr bauen. Mit Kosten von 400 000 Mark hatte Hombach, der stolz ist auf seinen ökonomischen Sachverstand, für das geplante Fertighaus kalkuliert - eine Fehlkalkulation. Die Kreativität seines Bochumer Architekten Karl-Friedrich Gehse und Hombachs Sonderwünsche ließen den Bau schnell zu einem Geldgrab werden. Und er hätte noch viel teurer werden können. Wenn ihm nicht die Veba mit Hans Hebers als Bauleiter einen Immobilien-Profi an die Seite gestellt hätte. Der sei teilweise regelrecht "verzweifelt" gewesen, da Architekt Gehse "auf immer neue architektonische Ideen" verfallen sei, berichtet der damalige Veba-Prokurist Johannes Borgmann.

Hinzu kamen Hombachs Änderungswünsche. So war ihm sein Schlafzimmer zu klein. Da könnte man doch die gerade fertiggestellte Wand einfach mal um einen Meter versetzen. Für Gehse kein Problem: "Das kost' nur 'n Dusender." Hebers jedoch hatte nachgerechnet und warnte: "Das kostet mindestens zehntausend." Zum Schluß hatten sich Kosten von 1,491 Millionen Mark angehäuft. Noch heute muß der Mülheimer 5 222,50 Mark monatlich für Zins und Tilgung zahlen. Dafür hat Schröders Lieblingsghostwriter immerhin ein Haus, das seinen Ansprüchen genügt - mit marmorierter Wohnhalle und holzgetäfelter Bibliothek, Wintergarten und Kamin. "Hombach pflegt sich in seiner Mülheimer Villa gern barock zu inszenieren", spöttelte die Welt.

Erstmalig geriet Hombachs Mülheimer Wohnkunstwerk im Juni letzten Jahres ins Visier des Spiegel: Der frühere Vorstandsvorsitzende der Veba-Immobilien Ludwig Staender habe vor der Bochumer Staatsanwaltschaft den sozialdemokratischen Vordenker belastet und über "Wohltaten und eine gewisse Großzügigkeit" gegenüber dem damaligen SPD-Landesgeschäftsführer gesprochen. Damit sei Staender, der Anfang 1998 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen Veruntreuung verurteilt worden war, einer Bitte des SPD-Landesschatzmeisters Fritz Ziegler gefolgt, der signalisiert habe, "daß ein solcher Gefallen auch für uns von Vorteil sein könnte".

Hombach stand damals unmittelbar vor seiner Ernennung zum nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister. Der frisch gewählte Ministerpräsident Wolfgang Clement forderte eine umgehende Aufklärung der Vorwürfe, sonst könne sein Freund nicht ernannt werden. Die unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft C & L Deutsche Revision wurde eingeschaltet. Eine Blitzprüfung von nur zwei Tagen erbrachte einen Persilschein: Es gebe "keine Anhaltspunkte dafür, daß andere als die durch die vorgenannten Unterlagen belegten Arbeiten zur Errichtung des Gebäudes geleistet wurden". Hombach jubilierte: Er sei "dem politischen Tod von der Schippe gesprungen". Strafrechtlich sei die Sache ohnehin verjährt gewesen.

Jetzt hat der Spiegel wieder zur Jagd geblasen. Nach über einem halben Jahr Recherche haben die Spiegel-Redakteure Richard Rikkelmann und Klaus Wirtgen nun einen zweiten Anlauf gegen den Kanzleramtsminister genommen. In der vergangenen Woche präsentierten sie zunächst die Aussagen des einstigen Vorstandsmitglieds der Veba-Immobilien, Michael Kretschmer. Der hatte vor der Bochumer Staatsanwaltschaft ausgesagt, daß Vorstandschef Staender ihm über Hombachs Finanzierungsschwierigkeiten berichtet habe. Kretschmer solle sich des dilettierenden Häuslebauers hilfreich annehmen, so der heutige Geschäftsführer der Bundesbaugesellschaft Berlin. Das habe er zusammen mit Bauleiter Hebers auch getan. Hebers habe arrangiert, daß ein Teil der beim Hausbau angefallenen Kosten - nach Kretschmer ein sechsstelliger Betrag - nach der üblichen Veba-Methode verrechnet worden sei. Der Coup sei so geschickt eingefädelt gewesen, daß nicht einmal der Begünstigte selber Lunte gerochen haben soll.

Allerdings wirkte der Artikel trotz des neuen Zeugen merkwürdig blutleer. Das hatte einen Grund: Der Spiegel, angeführt von Chefredakteur Stefan Aust, hatte sich vor dem Erscheinen der Geschichte mit Hombach im Kanzleramt getroffen, um ihn mit seinen Recherchen zu konfrontieren. Darüber, ob der Minister die Vorwürfe tatsächlich vollständig ausräumen konnte, waren die Meinungen im Augstein-Blatt geteilt. Den anschließend veröffentlichten Artikel verantwortete die Chefredaktion. Und die dementierte die eigene Enthüllungsstory bereits im Vorspann: "Für diese Behauptung fehlen bislang Beweise." Und am Schluß heißt es: "Bislang konnte Hombach alle zusätzlichen Indizien für eine Vorteilsnahme ausräumen - so auch in einem mehrstündigen Gespräch mit dem Spiegel." Die ursprünglichen Autoren Rikkelmann und Wirtgen sahen das anders und hatten sich daher geweigert, ihren Namen unter den entschärften Text zu setzen.

Inzwischen scheint auch Chefredakteur Aust nicht mehr gänzlich von der Unschuld Hombachs überzeugt zu sein. Denn die neuen Aussagen von Ex-Bauleiter Hebers vor der Bochumer Staatsanwaltschaft bestätigen die Ausführungen Michael Kretschmers.

Hombach bestreitet weiterhin vehement alle Vorwürfe. Gegenüber dem Spiegel drohte er forsch: "Gegen jeden, der behauptet, ich hätte von einer solchen Praxis gewußt, werde ich umgehend Strafanzeige erstatten." Schließlich sei ihm gegenüber zu keinem Zeitpunkt "auch nur die Andeutung für eine Bevorzugung gemacht worden".


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