13.10.1999



Kölner Wochen-Ende

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Jungle World

*   Kölner Wochen-Ende
Von Pascal Beucker

Dietmar Koschmieder (vorne), Peter Kleinert (hinten)Ihr großes historisches Vorbild hatte gut ein Jahr durchgehalten. Die neueste Neue Rheinische Zeitung schaffte gerade mal ein halbes Jahr. Am Samstag erschien die letzte Ausgabe der Kölner Woche - nicht gemeuchelt allerdings von König und Fürsten wie einst das Marxsche Revolutionsblatt, dessen Namen sie im Untertitel führte. Der Kölner Ableger der Berliner jungen Welt scheiterte nach 25 Ausgaben, weil niemand ihn lesen mochte.

Wie schafft man es, ein im Westen unverkäufliches Produkt verkäuflich zu machen?, hatte sich Dietmar Koschmieder, der Geschäftsführer des Verlags 8. Mai, in dem die junge Welt erscheint, gefragt und ein "neues Medienprinzip" erfunden, indem er seine Ost-Zeitung in einen neuen West-Mantel steckte. Er ließ sich einen achtseitigen Kölner Lokalteil basteln, nannte ihn Kölner Woche, wickelte die 32seitige Wochenend-Ausgabe der jungen Welt darin ein und behauptete, nun gebe es in Köln eine neue Zeitung.

Ihr unternehmerisches Risiko hielt die junge Welt dabei in Grenzen. Für eine Mark hatte sie die Abo-Kartei der maroden Initiativen-Zeitung Kölner Volksblatt gekauft, um so mit einem Grundstock von 1 200 Abonnenten starten zu können. Als Anschubfinanzierung investierte die Linke Presse- und Verlagsbeteiligungsgenossenschaft LPG junge Welt e. G., so Koschmieder bei der Blattpräsentation im Frühjahr, 130 000 Mark. Doch mindestens 90 000 Mark sollten die Kölner selber aufbringen - durch den Kauf von 90 Genossenschaftsanteilen zu je 1 000 Mark. Akquiriert wurden dann aber lediglich 60 Anteile, ohne dass die junge Welt für einen Ausgleich sorgen konnte.

Nun ist die Kölner Woche zu Ende. "Der von der Genossenschaft dem Verlag zur Verfügung gestellte Kreditrahmen ist ausgeschöpft", teilte ein wortkarger Koschmieder am vergangenen Samstag in der jungen Welt mit. Da das Projekt nicht kostendeckend arbeite, Verlag und Genossenschaft jedoch keine weiteren Finanzmittel zur Verfügung stellen könnten, "muß sich der Verlag mit größtem Bedauern aus dem Projekt zurückziehen".

Ein Verlust für Köln ist das nicht. Denn die Kölner Woche zeichnete sich wie ihr Berliner Mutterblatt nicht eben durch sorgfältig recherchierte und gut geschriebene Artikel aus. Selbst die Geschichte, die die Kölner Woche kurzzeitig in die Schlagzeilen brachte - die Aufdeckung des Skandals um illegale Insider-Geschäfte des SPD-Oberbürgermeister-Kandidaten Klaus Heugel -, verriet nur, dass die Redaktion mit dem Projekt journalistisch überfordert war. Eine Sonderbeilage zur Kölner Synagoge und die Kolumne des ehemaligen StadtRevue-Redakteurs Christian Gottschalk waren die spärlichen Highlights in einer ansonsten überflüssigen Zeitung.

Trotzdem wird die Kölner Woche in die Stadtgeschichte eingehen. Denn sie schaffte etwas, woran die alte Neue Rheinische Zeitung noch gescheitert war: die Umwälzung der politischen Verhältnisse - auch wenn sie sich diese ganz anders vorgestellt hatte. Denn dass Köln nach 43 Jahren SPD einen CDU-Oberbürgermeister hat, gehört eher zu den investigativen Kollateralschäden. Einer jedoch wird nicht so unglücklich darüber sein: der Kölner Woche-Förderer Werner Peters. Der Besitzer des "Künstlerhotels Chelsea" und ehemalige Mitarbeiter der CDU-Bundesgeschäftsstelle hatte schon vor dem Heugel-Skandal in der Kölner Woche verkündet, er halte den CDU-Kandidaten für den geeigneten Oberbürgermeister.


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