28.04.1999



Startseite
Jungle World

*   FDP ans Telefon!
Von Pascal Beucker

Streit um Gesetz gegen Scheinselbständigkeit.

Wird Fußball in Bayern zukünftig ohne Schiedsrichter gespielt? Das jedenfalls befürchtet der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Landessportverbandes, Richard Didyk. Die neuen Gesetze gegen Scheinselbständigkeit und zu den 630-Mark-Jobs würden die Sportvereine "schier zur Verzweiflung" bringen, kritisiert Didyk. Die Neuregelungen könnten dazu führen, daß sich kaum noch Schiedsrichter finden ließen, um in den unteren Spielklassen zu pfeifen.

Vielleicht springen ja FDP-Mitglieder ein. Denn Generalsekretär Guido Westerwelle hat angekündigt, seine Partei wolle eine Kampagne gegen die Neuregelungen starten. FDP-Funktionäre würden aus Protest vom 10. bis zum 15. Mai stundenweise in den betroffenen Betrieben "jobben". Die Aktion ist ausbaufähig: Warum nur in Betrieben? Und warum nicht für 90 Minuten?

Die FDP hält die von der Koalition verabschiedeten Neuregelungen zur Eindämmung von Scheinselbständigkeit und zu den 630-Mark-Jobs für ein Desaster. Auch CDU und CSU laufen zusammen mit den Arbeitgeberverbänden Sturm. Der Steuerzahlerbund will die Regelung mit einer Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall bringen.

Gewerkschaften warnen indes vor einer Rücknahme der Gesetze zur Scheinselbständigkeit. So erklärte Manfred Moos vom Hauptvorstand der IG Medien: "Gerade im Medienbereich erleben wir seit Jahren, wie die Arbeitgeber systematisch tariflich geschützte Arbeitsverhältnisse abbauen und dafür scheinselbständige Beschäftigungsverhältnisse etablieren." Allerdings müsse man das Verhältnis von Künstlersozialversicherung und Rentenversicherung überdenken. Wer als freischaffender Publizist in der Künstlersozialversicherung angemeldet sei, dürfe nicht mit dem Hinweis auf Vermutungstatbestände abgewiesen werden.

Nachbesserungsbedarf sieht auch der Vorsitzende der Selbständigen in der SPD, Jürgen Vahlberg. Er bemängelt, daß z.B. selbständige Dolmetscher, Grafiker und Programmierer zur Berufsaufgabe gezwungen werden könnten, da auf sie in der Regel mindestens zwei Kriterien zuträfen, die notwendig seien, um als Scheinselbständige eingeschätzt zu werden.

Das Gesetz zwingt Selbständige in die Sozialversicherung, wenn sie mindestens zwei von vier Kriterien erfüllen, die auf ein abhängiges Arbeitsverhältnis hindeuten: Das ist der Fall, wenn sozialversicherungspflichtige Angestellte nicht vorhanden sind, eine regelmäßige Tätigkeit für nur einen Arbeitgeber ausgeübt wird, getätigte Arbeitsleistungen typisch für einen abhängig Beschäftigten sind und der Selbständige nicht am Markt auftritt. Bei einer vermuteten Scheinselbständigkeit muß der Betroffene selber diese Vermutung widerlegen.

Kritik an dem Reformwerk hat Arbeitsminister Walter Riester (SPD) als "irrational" zurückgewiesen. Doch richtig überzeugt scheint die Koalition nicht von ihren Gesetzen zu sein. SPD-Fraktionschef Peter Struck kündigte Nachbesserungen unterhalb der Gesetzesebene an. Eine Kommission soll das Werk auf seine Praxistauglichkeit überprüfen.

Die PDS-Abgeordnete Heidi Knake-Werner empfahl der Regierung, die Proteste einfach auszusitzen: "Wenigstens an der Stelle dürfen Sie guten Gewissens von der Vorgängerregierung lernen." Diese mobilisiere "zwar jetzt alles, damit Druck von den Straßen und Plätzen kommt - aber früher hat sie ihm erfolgreich widerstanden".


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen beim Autor. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors.