21.01.1999



Kirchenasyl: NRW-Grüne in der Zwickmühle

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*   Kirchenasyl: NRW-Grüne in der Zwickmühle
Von Pascal Beucker

Seit über einer Woche ist das Landesbüro der Grünen von kurdischen Flüchtlingen besetzt.

Hektisches Treiben in der Landesgeschäftsstelle der nordrhein-westfälischen Grünen. Menschen stehen in Gruppen zusammen und diskutieren: Wird es doch noch eine für alle akzeptable Lösung geben? Landesvorstandssprecherin Barbara Steffens spricht von einer "verzweifelten Stimmung". Seit Montag letzter Woche ist das grüne Büro in der Düsseldorfer Jahnstraße von über 100 kurdischen Flüchtlingen und deutschen Unterstützern besetzt. Die Kurden sind in einen Hungerstreik getreten. Sie fordern von der rot-grünen Landesregierung eine Änderung der aus ihrer Sicht repressiven Flüchtlingspolitik.

Am 21. Januar letzten Jahres begann in Nordrhein-Westfalen die Aktion "Wanderkirchenasyl". Inzwischen kämpfen mit der Unterstützung von über 80 Kirchengemeinden und der Kampagne "Kein Mensch ist illegal" rund 300 kurdische Flüchtlinge für ihr Bleiberecht in der Bundesrepublik. Bis heute verweigert das Innenministerium eine Gruppenlösung. Eine solche Forderung sei "völlig illusorisch", so Innen- und Justizminister Fritz Behrens (SPD). Er besteht auf Einzelfallprüfungen.

Für das Kölner Netzwerk "Kein Mensch ist illegal" ist das zuwenig. Die Initiative fordert einen generellen Abschiebestopp und ein dauerhaftes Bleiberecht für alle Teilnehmer am Wanderkirchenasyl. Die andauernden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei ließen gar keine andere Möglichkeit.

Das sehen die kurdischen Flüchtlinge in der Grünen-Landesgeschäftsstelle genauso. Sie wollen die Besetzung und ihren Hungerstreik so lange fortsetzen, bis die Landesregierung eindeutige Signale für eine humanitäre Lösung aussendet.

Aber auch die bislang letzte Verhandlungsrunde von Flüchtlingen, Unterstützergruppen und den Grünen mit Vertretern des Innenministeriums am vergangenen Freitag hat nicht zu einer Annäherung der Standpunkte geführt.
Auch in der grünen Landtagsfraktion regt sich Unmut über die Flüchtlingspolitik der NRW-Regierung. "Es kann nicht angehen, daß sich Nordrhein-Westfalen bayerischen Umgangsformen mit dem Kirchenasyl annähert", erklärte Fraktionssprecher Roland Appel.

Die im Dezember erfolgte Festnahme von Kurden aus dem Dortmunder Wanderkirchenasyl habe zu einer Eskalation geführt. Mit den kurdischen Besetzern in ihrer Geschäftsstelle haben sich die Grünen solidarisch erklärt. Eine polizeiliche Räumung werde es auf keinen Fall geben.

Allerdings haben Appel und seine Partei ein Problem. Die Grünen sind auch in Nordrhein-Westfalen vor allem eins: Regierungspartei. Und damit mitverantwortlich für die Flüchtlingspolitik. So vermeidet die Ökopartei denn auch trotz aller verbalen Solidaritätsbekundungen mit den kurdischen Flüchtlingen eine ernsthaftere Konfrontation mit dem sozialdemokratischen Partner. Schließlich soll die Koalition nicht gefährdet werden. Bei den Verhandlungen zwischen den Kirchenasylaktivisten und dem Innenministerium nehmen die Grünen somit auch nur eine Moderatorenrolle ein.

Die grüne Landtagsfraktion hofft derweil immer noch auf eine "Altfallregelung" auf Bundesebene zugunsten derjenigen Flüchtlinge, die nach einer Ablehnung ihres Asylantrages über einen bestimmten Zeitraum in Deutschland geduldet worden sind. Darunter würde auch der Großteil der Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl fallen. Die Aussichten dafür sind ungewiß.


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