In Köln geht eine
Ära zu Ende. Nach 43 Jahren wird der kommende
Oberbürgermeister kein Sozialdemokrat sein. Klaus
Heugel, der Kandidat der Kölner SPD, warf, nachdem er
wegen illegaler Insidergeschäfte in Verruf gekommen war,
das Handtuch. Aus und vorbei für einen Politiker, zu
dessen herausragendsten Eigenschaften das
"Klüngeln" gehörte.
Köln ohne
SPD-Oberbürgermeister? Unvorstellbar. Noch heißt es auf
unzähligenWahlplakaten "Von Burger zu Heugel".
Was sonst? Schließlich war das in der Domstadt doch
immer so, zumindest seit 43 Jahren. Von einem
Sozialdemokraten zum anderen - das war fast schon ein
Naturgesetz: von Theo Burauen zu John van Nes Ziegler zu
Norbert Burger zu ...
Nun müssen die Kölner
Genossen kurz vor den Kommunalwahlen in
Nordrhein-Westfalen am 12. September umdenken - und
umkleben. "Ich stelle ab sofort alle Aktivitäten
als Direktkandidat der SPD ein", teilte Klaus
Heugel, der unter dem Verdacht unerlaubter
Insidergeschäfte steht, am Sonntagabend in einer
persönlichen Erklärung mit. Dieser Schritt falle ihm
nicht leicht, zumal er als Kandidat für den Posten des
Oberbürgermeisters auf Grund der Bestimmungen des
Kommunalwahlgesetzes nicht mehr zurücktreten könne.
"Aber ich tue es, um es meiner Partei zu
erleichtern, einen Wahlkampf ohne das Thema Klaus Heugel
zu führen."
Eine lange
sozialdemokratische Karriere ist zu Ende. Sie begann 1971
zu den Zeiten Willy Brandts. Damals wurde der
Betriebswirt Heugel, seit 1968 Mitglied der SPD, Referent
im Bundeskanzleramt. 1975 zog er von Bonn nach Köln und
übernahm die Geschäftsführung der SPD-Rats-fraktion.
Heugels hervorragendste
Qualifikation: das Strippenziehen. Sein Terrain war
hinter den Kulissen. Geschickt taktierte der Politiker,
dem auch Parteifreunde stets den Charme eines
Aktenordners bescheinigten, um Macht und Pfründe, baute
und pflegte seine Seilschaften und Beziehungsgeflechte.
Erfolgreich. Von 1980 bis 1998 war Heugel Vorsitzender
der SPD-Ratsfraktion und gleichzeitig Mitglied des
Landtages.
1989 wäre seine
Ratskarriere allerdings fast frühzeitig beendet gewesen.
Die SPD hatte sich bei der Listenaufstellung
verkalkuliert. Heugel war nicht ordentlich abgesichert
und verfehlte den Wiedereinzug in den Rat. Man löste das
Problem auf "kölsche Art": Es fand sich ein
Abgeordneter, der großzügig auf sein Mandat zugunsten
Heugels verzichtete. Heute ist Jürgen Noppel gut
bezahlter Geschäftsführer der größten städtischen
Wohnungsgesellschaft. Und der kölsche Sprachschatz ist
um ein neues Wort bereichert: "noppeln".
Im Düsseldorfer Landtag
brachte es Heugel bis zum stellvertretenden
Fraktionsvorsitzenden. Auch hier folgte er seiner
Passion. Der langjährige Chef der SPD-Landtagsfraktion,
Friedhelm Farthmann, bezeichnet Heugel denn auch als
einen "Prototypen des Kölner Klüngels, der sein
Leben lang getrickst und gekungelt hat". Er habe
sich "gewundert, dass der nicht schon früher gegen
die Pumpe gelaufen ist", kommentierte Farthmann in
der Welt den Absturz seines früheren
Stellvertreters.
Schlechte Zeiten für die
SPD zwischen Rhein und Ruhr. Da stürzt Anfang des Jahres
der Gelsenkirchener Oberbürgermeister und
SPD-Spitzenkandidat Dieter Rauer über die eigenmächtige
Erweiterung seines Privatgrundstücks und die Genehmigung
von ungewöhnlich üppigen Dienstreisen in die USA. Da
läßt sich kurz danach der Hoffnungsträger der
Dortmunder SPD, Franz-Josef Drabig, zunächst mit einer
Prostituierten im Auto erwischen und stolpert dann mitten
im Wahlkampf auch noch in eine Steueraffäre. Da erwirbt
der ehemalige Landrat und langjährige Vorsitzende des
SPD-Stadtverbands Recklinghausen, Helmut Marmulla, von
der Salzgitter AG deutlich unter Marktpreis ein mehr als
3.000 Quadratmeter großes Baugrundstück, das im
städtischen Nutzungsplan als landwirtschaftliche Fläche
ausgewiesen war. Da präsentierte Ministerpräsident
Wolfgang Clement im Frühjahr einen neuen Justizministers
- und muss ihn wieder zurückziehen. Denn Reinhard
Rauball, der ehemaligen Präsident von Borussia Dortmund,
war dummerweise in undurchsichtige Aktienspekulationen
verwickelt.
Und dann ist da noch,
natürlich, Bodo Hombach. Nach dem Wirbel um seine
zweifelhaften Immobiliengeschäfte lässt Schröders
"Bester", den der SPD-Ortsverein Enger-Mitte
aus der Partei ausschließen lassen will, seit
vergangener Woche seine Parteiämter als
stellvertretender Bezirksvorsitzender der
niederrheinischen SPD und des SPD-Unterbezirks Mülheim
ruhen, damit nicht "ein Schatten auf die Partei
fällt", wie er erklärte.
Doch der ist ohnehin schon
riesengroß. Laut einer Umfrage des WDR vom Wochenende
wird die SPD bei den Kommunalwahlen am 12. September
einen Einbruch erleben: landesweit minus 7,4 Prozent.
"Dass der eine oder andere in die Pfütze patscht,
ist noch kein Grund, alle, die sich in den Kommunen für
das Wohl der Leute einsetzen, unter Verdacht zu
setzen", versucht sich der nordrhein-westfälische
SPD-Vorsitzende Franz Müntefering in Schadensbegrenzung.
Nun also Köln. Auch hier
ist jetzt Schadensbegrenzung und Krisenmanagement
angesagt. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz
erklärten SPD-Parteichef Kurt Uhlenbruch und der
Fraktionsvorsitzende Norbert Rüther am späten
Sonntagabend die Marschrichtung: "Unser Ziel bleibt:
Die SPD-Fraktion muss stärkste Kraft im Rat der Stadt
Köln bleiben." Die SPD wolle nun ohne
Oberbürgermeister-Kandidat um eine Mehrheit kämpfen.
Und: "Wir wollen, dass Köln nicht schwarz
wird."
Und die
Oberbürgermeisterwahl? Die ist zu einem Zweikampf
zwischen dem CDU-Kandidaten Harry Blum, einem ehemaligen
Immobilienunternehmer und seit 1991 Erster Bürgermeister
der Stadt, und der Grünen Anne Lütkes geworden. Seit
der knappen Niederlage Rezzo Schlauchs in Stuttgart 1996
haben die Grünen mit der 51-jährigen Rechtsanwältin
nun zum ersten Mal wieder eine reelle Chance, die
Oberbürgermeisterin einer bundesdeutschen Großstadt zu
stellen.
Die SPD wolle zunächst
keine Wahlempfehlung für Lütkes aussprechen, erklärten
Rüther und Uhlenbruch. Sie hoffen, dass es zu einer
Stichwahl am 26. September kommt. Dann wolle die SPD, so
Uhlenbruch, ihr politisches Gewicht einbringen und
"darauf achten, dass SPD-Politik die
Zukunftsgestaltung unserer Stadt maßgeblich
bestimmt". Auch Franz Müntefering hat sich gegen
eine Wahlempfehlung zugunsten eines Kandidaten einer
anderen Partei vor dem ersten Wahlgang ausgesprochen. Es
mache keinen Sinn, so der Chef der NRW-SPD, "zu
jemandem zu hüpfen".
Aber die selbstbewusste
Anne Lütkes macht es den Domstadt-Genossen auch nicht
leicht. Wenn die SPD tatsächlich zu ihrer Wahl aufrufen
sollte, so Lütkes, dann sei "das zunächst einmal
ein Beifall, den ich nicht ablehne". Allerdings
könne damit nicht eine automatische Koalitionsaussage
von ihrer Seite für die SPD verbunden sein. Dazu
müssten die Sozialdemokraten bereit sein, "ganz
grundlegende politische Veränderungen in dieser
Stadt" zusammen mit den Grünen einzuleiten.
"Dafür gibt es bis jetzt noch keine Signale."
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