08.09.1999



Klüngel parteiübergreifend: SPD am Ende, Grüne mit Aussichten

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*   KOMMENTAR: Klüngel parteiübergreifend: SPD am Ende, Grüne mit Aussichten
Von Pascal Beucker

Überall in Köln hängen sie, die Plakate des CDU-Oberbürgermeisterkandidaten Harry Blum. Der gefallene SPD-Kandidat Klaus Heugel sei nur die Spitze des Eisbergs, verkündet auf ihnen der Mann, der als erster Christdemokrat nach 43 Jahren an die Spitze der Domstadt gewählt werden will. Wie Recht er hat, das zeigt die Affäre um den Fraktionsvorsitzenden seiner Partei, Rolf Bietmann.

Der Kölsche Klüngel lebt - ob mit Heugel und der SPD oder ohne. 43 Jahre regierten Sozialdemokraten die Rheinmetropole. Und niemand hat vor der Heugel-Affäre ernsthaft geglaubt, dass sich daran nach den kommenden Stadtrats- und Oberbürgermeisterwahlen etwas ändern würde. Jetzt sehen die letzten Umfragen die SPD an der 30-Prozent-Marke kratzen. Zu Recht. Geprägt von Fraktionskämpfen zwischen "Rechten" und "Linken", bei denen es schon lange nicht mehr um Inhalte, sondern nur noch um die Pfründenverteilung geht, betrachteten die Kölner Sozialdemokraten die Stadt als ihr Eigentum. Diese Arroganz der Macht macht blind. Nun droht die Enteignung. Die Kölner SPD hat abgewirtschaftet.

Doch was kommt nach dem 12. September? Die CDU jubiliert bereits. Den Wahlkampf hat ihr die SPD gemacht, und zwar hervorragend. Die Chancen der CDU, stärkste Partei zu werden und den kommenden Oberbürgermeister zu stellen, stehen gut. Nur: Was ändert das?

Dass sich die Konservativen nun als die Saubermänner darstellen, ist reine Politfolklore. Sie waren fest eingebunden in das sozialdemokratische Netz der Machtsicherung. Denn zum Kölschen Klüngel gehört auch, dass man diejenigen, die einem gefährlich werden könnten, mit ins Boot holt. Die CDU ruderte gerne mit. Und ließ sich angemessen entlohnen.

Es könnte auch anders kommen. Noch liegt die grüne Kandidatin Anne Lütkes hinter ihrem CDU-Kontrahenten. Aber ein Großteil der Wähler hat sich noch nicht entschieden. Schafft Lütkes es in die Stichwahl am 26. September, hat sie eine reale Chance zu gewinnen. Denn dann wird die SPD endlich auch offiziell zur Wahl der ungeliebten Grünen aufrufen. Falls Lütkes gewönne, wäre das tatsächlich etwas Neues für Köln: Fünf Jahre lang könnten die Bürger beobachten, ob die Kampfansage an den Klüngel nicht nur aus dem Mangel an Gelegenheit resultierte. Ein interessantes Experiment.


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