28.09.1999



Die rote Sonne geht unter

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taz

*   Die rote Sonne geht unter
Von Pascal Beucker

Auch die Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass die SPD nichts mehr zu sagen hat. An die neuen Verhältnisse können sich die Genossen aber nur sehr langsam gewöhnen.

Es war ein historischer Abend. Nur einige Unentwegte hatten daran geglaubt. Der CDU-Kandidat galt als haushoher Favorit. Und dann die Sensation: Grün schlägt Schwarz.

Nein, nicht in Köln. Aber im 6.263-Einwohner-Dorf Laer bei Münster. Hier ließ der Grüne Hans-Jürgen Schimke mit 52,2 Prozent seinen CDU-Konkurrenten hinter sich. Und das, obwohl die CDU im Gemeinderat über eine absolute Mehrheit verfügt und die Grünen gerade mal auf 12,1 Prozent kommen.

Die Stichwahlen in 14 kreisfreien Städten, 9 Landkreisen und 108 kreisangehörigen Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen erbrachten für jede Partei das ein oder andere Erfolgserlebnis. Was für die Grünen Laer ist, ist für die Sozialdemokraten Bonn. Trotz absoluter CDU-Mehrheit im Rat und obwohl sie im ersten Wahlgang am 12. September noch zurücklag, heißt die alte und neue Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann.

Ein Hoffnungsschimmer, immerhin. Nicht ganz Nordrhein-Westfalen ist schwarz geworden. Befriedigt konstatierte der SPD-Landesvorsitzende Franz Müntefering "Die schwarzen Bäume wachsen nicht in den Himmel, die rote Sonne ist noch da."

Die SPD ist in der zweiten Runde der NRW-Kommunalwahlen noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen - allerdings mit einem dick geschwollenen. Zwar setzten sich nicht nur in Bonn, sondern auch in den meisten Ruhrgebietsstädten die sozialdemokratischen Bewerber durch. Anlass für Euphorie besteht deshalb nicht. So konnten sich die SPD-Kandidaten in einstigen sozialdemokratischen Hochburgen wie Dortmund, Bochum, Herne und Bottrop, in denen früher schon ein rot lackierter Besenstiel zur Wahl ausgereicht hätte, zum Teil nur hauchdünn über die Ziellinie retten. In Mülheim an der Ruhr fehlten dem CDU-Kandidaten lausige 33 Stimmen zum Sieg.

Hinzu kommen bittere Niederlagen. In der Landeshauptstadt Düsseldorf unterlag die bisherige Amtsinhaberin knapp dem CDU-Herausforderer. In Leverkusen wurde der bisherige sozialdemokratische Oberbürgermeister Walter Mende geradezu hinweggefegt: Er erhielt 24 Prozent weniger als sein christdemokratischer Kontrahent Paul Hebbel.

In Köln stand erst gar kein SPDler mehr zur Wahl. Von einer Trendwende kann also keine Rede sein: In der Stichwahl schaffte es die SPD am Sonntag gerade mal, mit der CDU gleichzuziehen - beide Parteien gewannen je sieben Oberbürgermeisterposten.

Bei solchen Verhältnissen werden die Genossen an Rhein und Ruhr ziemlich bescheiden. So freute sich der SPD-Landeschef Franz Müntefering über das Abschneiden seiner Partei, denn es habe gezeigt: "Die Sozialdemokraten gibt es noch. Wir gehen nicht in die Knie." Die Kommunalwahlen seien zwar insgesamt eine "Schlappe" gewesen, "aber kein Sieg für die CDU".

Eine eigenwillige Sichtweise. Die Gesamtbilanz der Kommunalwahlen vom 12. und 26. September fällt verheerend für die Sozialdemokratie aus: Stellte sie bislang in den Großstädten 20 von 23 Oberbürgermeistern, sind es nunmehr noch 10. Von den 14 Landräten mit SPD-Parteibuch sind 2 übrig geblieben - gegenüber 28 CDU-Landräten. Im einstmals roten Ruhrgebiet strahlt alleine noch Oberhausen. Sie ist die einzige Stadt, die weiterhin nach alter Art regiert wird: von einem SPD-Oberbürgermeister mit absoluter SPD-Mehrheit.

Für Ministerpräsident Wolfgang Clement bleibt die Situation auch nach den Stichwahlen prekär. Gelingt es den Sozialdemokraten nicht, in der nächsten Zeit enttäuschte frühere sozialdemokratische Wähler zurückzugewinnen, wird er sich einen neuen Job suchen müssen. "Wir haben Schlimmstes verhindert, aber Schlimmes ist geschehen", kommentierte er den Wahlausgang.

Dabei ist die Wahlkampfstrategie vieler der siegreichen SPD-Oberbürgermeister für Clements Aussichten bei den Landtagswahlen in acht Monaten fatal: Sie grenzten sich von der SPD ab oder verschwiegen auf ihren Plakaten peinlich ihre Parteizugehörigkeit.

Clement und auch Müntefering kündigten an, dass sich die NRW-SPD zukünftig stärker auf Bundesebene einmischen wolle. Dort sei "nicht immer erkennbar, dass das mit der sozialen Gerechtigkeit ernst gemeint ist", kritisierte Müntefering das Erscheinungsbild seiner Partei. "Wir müssen uns einmischen in die bundespolitischen Dinge und dort die Hand ans Steuer legen", sagte der Chef des mitgliederstärksten SPD-Landesverbandes. So schließt Clement nicht aus, beim SPD-Parteitag im Dezember als Nachfolger von Johannes Rau für den stellvertretenden Parteivorsitz zu kandidieren

Eine Korrektur des Kurses der Berliner Regierung lehnen sowohl Müntefering als auch Clement ab. "Wir dürfen jetzt nicht irgendwelchen opportunistischen Stimmungen nachgeben", so Wolfgang Clement. Das dürfte er sich allerdings noch einmal überlegen, wenn die Landtagswahlen näher rücken und die SPD bei den nächsten Wahlen ähnlich erfolgreich abschneidet wie bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen.

Der CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers sieht dem Showdown in Düsseldorf im kommenden Jahr bereits sehr hoffnungsfroh entgegen: "Wir sind die Nummer eins in NRW."


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