14.12.1999



Normannen bringen die Kölner Zeitungslandschaft in Unordnung

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taz

*   Normannen bringen die Kölner Zeitungslandschaft in Unordnung
Von Pascal Beucker

Mit dem anzeigenfinanzierten Blatt 20 Minuten Köln will der norwegische Konzern Schibsted den ansässigen Verlagen das Wasser abgraben: Springer zeigt sich besorgt, DuMont spricht von einem "Existenzkampf".

Sieben Uhr morgens am Kölner Neumarkt. "Wollen Sie eine Gratiszeitung?", fragt eine junge Frau. Na klar, aber welche? Am Montag hat in der Domstadt die große Zeitungsschlacht begonnen. 24 Stunden früher als geplant hat der norwegische Medienkonzern Schibsted seine kostenlose Tageszeitung 20 Minuten Köln auf den Markt geworfen. Der Axel Springer Verlag hält mit Köln extra dagegen. Ins Hintertreffen geraten ist dadurch ausgerechnet jenes Verlagshaus, das seit Menschengedenken die Kölner Zeitungslandschaft beherrscht: M. DuMont Schauberg, dessen kostenlose "Lightversion" des Express erst am heutigen Dienstag erscheint.

Beschaulich war es bisher auf dem Zeitungsmarkt am Rhein zugegangen. Kölner StadtAnzeiger und Kölnische Rundschau lebten in friedlicher Koexistenz. Die eine gemacht für liberale, die andere für konservative Leser - und beide verlegt von DuMont. Wem nach Boulevard der Sinn stand, dem bot DuMont seinen Express. So war das in Köln und wäre es auch geblieben, ginge es nach Alfred Neven DuMont. Der mächtige Verleger dominiert den Markt mit einem Imperium, dem zusätzlich dreizehn kostenlose Anzeigenblätter, eine monatlich erscheinende Stadtillustrierte, ein Buchverlag und mehrere lokale Radiosender angehören. Die einzig geduldete Alternative: Bild.

Bis Schibsted kam. Mit einer zweistelligen Millionensumme und einem Durchhaltevermögen von mindestens drei Jahren tritt der in Norwegen führende Medienkonzern in Köln an, das DuMont-Monopol zu brechen - mit einer kostenlosen, anzeigenfinanzierten Morgenzeitung, die eine "seriöse Qualitätszeitung" sein will. 20 Minuten Köln wird an über 500 Verteilkästen in der Stadt feilgeboten, dazu kommt noch die Handverteilung. "Wir wollen in den Bereichen neue Leser gewinnen, in denen Tageszeitungen überall in Deutschland Probleme haben: bei den jungen Lesern und bei den Frauen", beschreibt Chefredakteur Klaus Kelle die Zielgruppe von 20 Minuten Köln.

Schon die ersten Informationen über das Schibsted-Engagement versetzten DuMont in Panik. Der Kölner Verlag sieht sich in einem "Existenzkampf". Bisher aber scheiterten alle Versuche, die unliebsame Konkurrenz schon im Vorfeld wegzubeißen: Weil 20 Minuten Köln keine Druckerei im Rheinland fand, wich man kurzerhand nach Holland aus. Auch der Springer-Konzern reagierte verschreckt, klagte über die Gefährdung einer "gewachsenen Kultur der Regionalzeitungen" und vermeintliche "Wettbewerbswidrigkeit": Ein eigener Gratistitel musste her. "Wir schauen nicht tatenlos zu, wenn jemand den Markt kaputt macht", so Springer-Sprecherin Edda Fels.

Die Aufregung bei Springer und DuMont Schauberg ist verständlich. Um zu erkennen, was ihren Blättern in Köln drohen könnte, genügt ein Blick nach Stockholm. Als dort 1995 die schwedische Mediengruppe Modern Times Group (MTG) erstmals ihren Gratistitel Metro lancierte, büßten das Boulevardblatt Expressen 27,5 Prozent und die renommierte Tageszeitung Dagens Nyheter fast zehn Prozent ihrer Leserschaft ein. Metro avancierte zur zweitgrößten Zeitung in der schwedischen Hauptstadt.

Sechs weitere Metro haben sich inzwischen europaweit etabliert. Ausgaben in den USA, Großbritannien und vor allem Holland sind in Planung. Und in Zürich, wo es im kommenden Jahr zum skandinavischen Showdown kommen wird: MTG gegen Schibsted, der am Montag mit 20 Minuten Zürich den Anfang machte.

Die Kölner haben jetzt schon die Qual der Wahl. 20 Minuten Köln oder Köln extra? Eine Geschmacksfrage, denn mit einer Auflage von 150.000 Exemplaren und einem Umfang von 24 Seiten unterscheiden sich beide Blätter nur durch ihre Aufmachung. Hier die Zeitung für "die jungen und mobilen Großstädter", dort der bekannte Springer-Boulevard. Der Fastfood-Journalismus indes ist ihnen allen gemeinsam. Und das zweiseitige Fernsehprogramm.


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