04.02.1999



Frisch geschieden

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*   Frisch geschieden
Von Pascal Beucker und David Schraven

In Mülheim ist die erste schwarz-grüne Koalition im Ruhrgebiet zerbrochen.

Das Experiment ist beendet. Die schwarz-grüne Koalition in Mülheim an der Ruhr ist gescheitert. Rund acht Monate vor den Kommunalwahlen hat die CDU den Grünen die Partnerschaft aufgekündigt. "Es macht keinen Sinn, den Schein eines schwarz-grünen Bündnisses zu wahren, wenn es eine grüne Blockade gegen die ehemaligen gemeinsamen schwarz-grünen Inhalte gibt", begründeten CDU-Stadtchef Andreas Schmidt und der Ratsfraktionsvorsitzende Johannes Brands in einer gemeinsamen Erklärung den Ausstieg der Christdemokraten. Die erste und bislang einzige schwarz-grüne Koalition in einer kreisfreien Stadt in der Bundesrepublik havarierte - an einer Personalie.

Viele Stürme hatte die schwarz-grüne Liaison in Mülheim in den letzten Jahren überstanden. Sogar Hausbesetzungen und -räumungen konnten ihr nichts anhaben. Die "Notgemeinschaft gegen SPD-Filz und Genossenfilz", so die Bezeichnung eines Grünen, hielt. Bis zu den letzten Kommunalwahlen war Mülheim, wie im Ruhrgebiet üblich, fest in SPD-Hand gewesen - über 40 Jahre lang. Doch nach mehreren lokalen Affären mußten die siegesgewohnten Sozialdemokraten 1994 einen erdrutschartigen Einbruch von knapp zehn Prozent und den Verlust ihrer absoluten Mehrheit hinnehmen. Die selbstgefälligen Genossen erstmalig auf die Oppositionsbänke verbannen zu können - das schweißte Schwarze und Grüne zusammen und lies ihre Parteifreunde in den Nachbarstädten neidisch auf das "Mülheimer Modell" schauen.

Doch nun ist der Modellversuch vorzeitig abgebrochen worden. Gescheitert ist die schwarz-grüne Koalition an einer scheinbaren Banalität: An der Besetzung der Geschäftsführerstelle der stadteigenen Mülheimer Stadtwerbung und Tourismus GmbH (MST). Die grüne Ratsfraktion hatte sich nicht dazu durchringen können, geschlossen für den christdemokratischen Kandidaten, den CDU-Kreisgeschäftsführer Stefan Zowislo, zu stimmen. Daher wollte die Öko-Partei die für den kommenden Dienstag anstehende Abstimmung im Rat freigeben. Bei einer Probeabstimmung in der Fraktion votierten drei grüne Parlamentarier für Zowislo und zwei gegen ihn. Vier Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Da auch aus den Unions-Reihen mit Gegenstimmen gerechnet werden mußte, hätte der CDU-Mann keine Mehrheit im Rat gefunden. Bereits im vergangenen Dezember war Zowislo in einer Ratsabstimmung an zwei Abweichlern aus den eigenen Reihen gescheitert.

Die CDU wirft nun den Grünen vor, sich nicht an Absprachen gehalten zu haben. Die Besetzung des MST-Postens mit einem CDU-Kandidaten sei verbindlich vereinbart worden, so der erboste CDU-Oberbürgermeister Hans-Georg Specht. "Die Grünen dürfen sich nicht wundern, wenn die Gegenseite nicht mehr mitmacht, wenn sie nur an ihre eigenen Vorteile in der Koalition denken", sagte Specht zur taz-ruhr. Schließlich seien alle Personalentscheidungen zugunsten der Grünen von der CDU immer getragen worden. CDU-Fraktionschef Brands hält die grüne Haltung schlichtweg für "destruktiv".

Dem widerspricht der grüne Fraktionssprecher Wolf-Jürgen Richter: "Die CDU hat die Personalentscheidung zu hoch gehängt." Die Grünen hätten die mit den Christdemokraten getroffenen Absprachen eingehalten. Es stimme zwar, daß das Vorschlagsrecht für die Stelle bei der CDU gelegen habe. Allerdings sei auch ein Vetorecht für die Grünen vereinbart worden. Richter: "Wir mußten Zowislo nicht unbedingt wählen." Die CDU habe ihren Kandidaten selber durch Verfahrensfehler in diese verfahrene Situation gebracht. So sei die Bewerbung des CDU-Funktionärs erst nach der offiziellen Ausschreibungsfrist eingegangen. Die schwarz-grüne Koalition sei jedoch gerade mit dem Ziel angetreten, mehr Transparenz in die städtischen Personalentscheidungen zu bringen und "Filzabsprachen" bei Postenbesetzungen zu bekämpfen. Daher habe die Bewerbung Zowislos keine Mehrheit in der grünen Fraktion gefunden. Auch die grüne Kreisvorstandssprecherin Brigitte Stollen kann keine "Blockadepolitik" ihrer Partei entdecken. Da zwei Ratsherren aus der CDU bei Zowislos erstem Versuch gegen ihren Kreisgeschäftsführer gestimmt hätten, sei dieser an seiner eigenen Partei gescheitert. "Ich habe den Eindruck, die verheizen ihren eigenen Mann." Stollen: "Das ist eine große Peinlichkeit."

Auch wenn die schwarz-grüne Ehe damit noch vor Ende der Legislaturperiode zerbrochen ist, hält Johannes Brands das "Mülheimer Modell" insgesamt nicht für mißlungen. So habe man immerhin gemeinsam den Haushalt in den vergangenen viereinhalb Jahren sanieren können. Außerdem seien Erfolge in der Verkehrspolitik und bei der Einrichtung eines "Autonomen Jugendzentrums" erreicht worden. "Die Koalition war ein Erfolg", resümiert der CDU-Fraktionschef und hofft auf Nachahmung in anderen Revierstädten. Der grüne Bürgermeister Wilhelm Knabe, einst Bundessprecher seiner Partei, bereut den schwarz-grünen Versuch ebenfalls nicht: "Das Bündnis ist die einzige Chance, eine neue Politik jenseits der SPD im Revier zu ermöglichen." Allerdings sieht es zur Zeit nicht danach aus, als würde es nach den Kommunalwahlen im September zu einer Neuauflage der Verbindung in der Stadt der Iduna-Hochhäuser kommen - auch wenn es die ungleichen Partner nochmal miteinander versuchen wollten: In Umfragen wird der Mülheimer SPD inzwischen wieder eine satte absolute Mehrheit vorausgesagt. Bis zu den Wahlen sind Aufräumarbeiten angesagt. "Es ist wie bei einer gescheiterten Ehe: Wir lösen den Haushalt auf und kaufen nichts neues", sagt der grüne Fraktionssprecher Richter.


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