11.02.1999



BSC Fidel Bonn

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*   BSC Fidel Bonn
Von Pascal Beucker

Ein Oberligist plant Revolutionäres: Zum zweiten Mal in seiner Geschichte will der Bonner SC Fußballgeschichte schreiben.

Tristesse herrscht am Bonner Sportpark Nord. Zum letzten Heimspiel gegen den Rheydter SV kamen gerademal 100 Zuschauer. Abstiegskampf in der Oberliga Nordrhein - ein grausamer Zeitvertreib. Wenn man von Mannschaften mit so klangvollen Namen wie SV Adler Osterfeld (1:4) oder SC Wegberg-Beeck (1:5) abgefertigt wird - wer will sich das schon freiwillig antun? Nicht einmal gegen den SV Baesweiler konnte gewonnen werden. Zu diesem Trauerspiel waren aber immerhin 200 Zuschauer gekommen.

Ach, was war das doch für eine tolle Zeit gewesen, damals vor vor 22 Jahren, als der Bonner SC es bis in die 2. Bundesliga Nord geschafft hatte. Das waren Spiele! 11.000 Zuschauer fieberten am letzten Spieltag mit ihrem BSC. 68. Minute: Elfmeter - eins zu null gegen Bayer Leverkusen. Der Klassenerhalt war geschafft, der Jubel grenzenlos. Aber nicht lange. Denn seinerzeit machte der Bonner SC erstmalig bundesweit Schlagzeilen. Er schrieb ein wenig ruhmreiches Stück Fußballgeschichte: Der Deutsche Fußball-Bund verweigerte ihm, als erstem bundesdeutschen Verein im bezahlten Fußball, aus wirtschaftlichen Gründen die Lizenz. Zwangsabstieg in die Verbandsliga. Aus der Traum. Seitdem gurkt der Club durch die Niederungen des Amateurfußballs - ein stetiges Auf- und Ab zwischen Verbandsliga Mittelrhein und Regionalliga West/Südwest, zur Zeit halt in der Oberliga Nordrhein.

Nun sorgt der BSC wieder bundes-, gar weltweit für Schlagzeilen. Das verdankt der Verein seinem Präsidenten Hans Viol. Denn der 52jährige Unternehmer hat eine Vision: die Verpflichtung der kompletten kubanischen Fußballnationalmannschaft für seinen BSC. Auf die verrückte Idee hatte ihn ein guter Freund gebracht, der regelmäßig seinen Urlaub auf der Zuckerinsel verbringt. Der hatte Viol ein Video von Kubas heroenhafter 0:2-Niederlage gegen Vize-Weltmeister Brasilien mitgebracht. Der BSC-Boß war begeistert. Der Bonner SC als FC Fidel? Was für ein Einfall - und Viol arbeitet mit ganzer Kraft dafür, ihn Wirklichkeit werden zu lassen.

Im Dezember flog er zusammen mit BSC-Trainer Rainer Thomas nach Havanna, um mit dem kubanischen Fußball-Verband über die Modalitäten zu verhandeln. Mitte Januar stattete Kubas Fußball-Chef Luis Hernandez seinen Gegenbesuch in der ehemaligen Bundeshauptstadt ab. Er zeigte sich zufrieden: Die Stadt sei "sehr sauber und gut organisiert" und der Sportpark Nord "für kubanische Verhältnisse hervorragend", hat der 49jährige ehemalige Nationalspieler festgestellt. Sein Fazit: "Hier gibt es gute Voraussetzungen für unsere Spieler."

Die Vorstellungen, wie der Coup aussehen könnte, sind bereits weit gediehen. Gedacht ist daran, die 15 besten Spieler Kubas, zwei Trainer, einen Dolmetscher, einen Masseur und einen Koch nach Deutschland zu holen. Untergebracht werden sollen sie in einem ehemaligen Schülerheim und würden "freie Verpflegung, Krankenversicherung und ein Taschengeld" erhalten, erläutert BSC-Geschäftsführer Gerd Demann. Das Experiment soll erstmal ein Jahr dauern. "Dann können wir die Partnerschaftsvereinbarung jährlich verlängern", so Demann. Die Bonner würden als "Leihgebühr" für die Karibikkicker regelmäßig Sportartikel nach Kuba schicken. Außerdem wollen sie sich verpflichten, Freundschaftsspiele für die Nationalelf - beispielsweise gegen Luxemburg oder Liechtenstein - zu organisieren. Auf rund eine halbe Million hat BSC-Chef Viol die Kosten seines karibischen Traumes veranschlagt. Das wäre ein Schnäppchen. Kuba zwar gehört nicht unbedingt zu den führenden Fußballnationen auf der Welt, aber immerhin hat es auch nur drei zu null gegen die USA verloren. An dem kubanischen Mittelfeld-Duo Lazaro Darcourt und Manuel Bobadilla war sogar schon Olympique Marseille interessiert. Die Verpflichtung scheiterte an einem Veto der Kubaner: Entweder die komplette Mannschaft oder keinen! Und genauso wollen es die Bonner halten. "Das ist eine einmalige Chance, eine neue Aufbruchstimmung in Bonn zu schaffen", weiß Geschäftsführer Demann. Er hofft, dann auch endlich wieder einen Trikotsponsor für den notorisch klammen Club finden zu können.

Die Statuten des Deutschen Fußball-Bundes stünden dem geplanten Deal nicht entgegen. "Die Regel, daß nur drei Nicht-EU-Fußballer auflaufen dürfen, gilt nur in der ersten und zweiten Bundesliga", erklärt DFB-Pressesprecher Wolfgang Niersbach.

Doch die vorschnellen Meldungen (Express: "Alles klar!"; Berliner Kurier: "Castro gab grünes Licht: Kuba-Kicker nach Bonn"), der Deal sei schon perfekt, waren Zeitungsenten. Die Hoffnungen Hans Viols, die Kubaner noch in dieser Saison auflaufen lassen zu können, sind zerstoben.

Entschieden ist noch nichts. Denn Luis Hernandez hat auf die Bremse getreten. Nach seinen Vorstellungen soll die kubanische Nationalmannschaft erstmals im April nach Bonn reisen, um sich in Deutschland auf den Karibik-Cup im Mai vorzubereiten. So könnten sich die Spieler an die Verhältnisse und das Wetter gewöhnen. Was die Besiegelung der Zusammenarbeit angehe, denke er an Juni, erklärte der Präsident des kubanischen Fußball-Verbandes: "Einigen wir uns, sind die Spieler ab der nächsten Saison einsatzbereit."

Die Zurückhaltung von Hernandez ist berechtigt. Nicht nur, daß der Sturz in die Fünftklassigkeit droht, und die Heranführung des Kubanischen Fußballs an die Weltspitze in einer Kurz-vor-der-Thekenmannschafts-Liga ein recht perspektivloses Unterfangen wäre - den Bonner SC plagen noch andere Probleme. Die gleichen, die schon einmal eine legendäre Zeit jäh beendet hat: Schulden. Der Verein sei "keine solide Adresse", konstatiert denn auch Hans-Will Zolper, der Geschäftsführer des mittelrheinischen Fußballverbandes. Er habe die Schulden in den drei Jahren seiner Amtszeit von 2,5 Millionen auf deutlich unter eine Million gebracht, übt sich Vereinschef Viol in Solidität. Aber eng wird's trotzdem: Bei der Mannschaft ist der BSC mit zwei Monatsgehältern im Rückstand. Darüberhinaus fordert ein ehemaliges Vorstandsmitglied Rückzahlungen in Höhe von 59.000 Mark. Und nun hat auch noch das Finanzamt Bonn wegen außenstehender 72.000 Mark ein Konkursverfahren gegen den SC Pleite eröffnet.

Aber, wenn es den Bonner SC im Sommer noch gibt, und er ist nicht abgestiegen - vielleicht wird dann in der nächsten Saison Salsa im Sportpark Nord gespielt. Der SV Adler Osterfeld und der SC Wegberg-Beeck werden einfach weggeputzt. Und bei der nächsten Weltmeisterschaft gibt's die Revanche gegen Brasilien. Viva BSC!


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