25.03.1999



Dioxinschleuder mit Tradition

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taz

*   Dioxinschleuder mit Tradition
Von Pascal Beucker, Marcus Meier und Felix Pullmann

Seit Jahren steht die B.U.S. Metall GmbH in der Kritik. Jetzt fordern Bürger Maßnahmen gegen den Betrieb.

Erst drei Tage später war die Bevölkerung informiert worden. Und das verdankte sie auch noch Anwohnern, die der weithin sichtbare schwarze Staub beunruhigt hatte und die das Staatliche Umweltamt alarmiert hatten: Dioxin-Störfall in der Fabrik der B.U.S. Metall GmbH in Duisburg-Hüttenheim. Gut eine Tonne dioxinhaltigen Staubs war aus dem B.U.S.-Werk ausgetreten. Die vom Umweltamt genommenen Bodenproben ergaben. Der Dioxingehalt lag bei bis zu 820 Nanogramm pro Kilo Staub - und damit um etwa das Achtfache höher als der zukünftige Prüfwert für Dioxine auf Kinderspielplätzen.

Am vergangenen Montag hat nun der Vorstand und die Geschäftsleitung der B.U.S. einen Brief an die "sehr geehrten Bürgerinnen und Bürger" und die "lieben Einwohner des Stadtteils Hüttenheim" geschrieben. "Uneingeschränkt" drückten die Konzernmanager "unser Bedauern über diesen Vorfall aus" und entschuldigten sich "in aller Form": "Wir hatten offensichtlich zu wenig Erfahrung mit solchen Störungen und haben gedacht, daß mit Einschaltung des Umweltamtes das Notwendige getan sei."

Tagelang hatte das Unternehmen Bevölkerung und Behörden im unklaren gelassen, welche Stoffe bei dem Störfall in welcher Menge auf den Stadtteil Hüttenheim niedergegangen waren. Erst eine Stoffanalyse des Landesumweltamtes hatte mehr oder minder adäquate Gegenmaßnahmen ermöglicht.

Die B.U.S. ist im Duisburger Süden angesiedelt, der für seine extrem hohe Dioxinbelastung berühmt und berüchtigt ist. Dafür seit langem als Mitverursacher bekannt: die B.U.S. So ergaben Ende der Achtziger Jahre vor dem Werksgelände genommene Bodenproben Ergebnisse, die um das Zehnfache über den Grenzwerten lagen.

Konsequenzen für das Unternehmen ergaben sich daraus jedoch nicht. Denn die B.U.S. hatte einen starken Verbündeten: den damaligen sozialdemokratischen Landesumweltminister Klaus Matthiesen. Der verschwieg die alamierenden Dioxinbelastung fast zwei Jahre gegenüber der Öffentlichkeit. Im Juni 1992 reagierte der noch heute amtierende sozialdemokratische Umweltdezernent von Duisburg, Jürgen C. Brandt, endlich auf die Meßergebnisse: Er empfahl den Anwohnern der Fabrik, auf den Verzehr von selbstangebautem Blattgemüse zu verzichten.

Die damalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, Bärbel Höhn, warf den in Duisburg und Düsseldorf regierenden Sozialdemokraten seinerzeit vor, ihr Motto laute: "Verschweigen, abwiegeln, Zeit gewinnen".

Matthiessen interessierten solche Vorwürfe nicht. Er vertrat eine andere Philosphie: "Wir leben auch und gerade von sauberer Luft, aber wir leben nicht nur von sauberer Luft, sondern wir reden auch von der Attraktivität unseres Standortes und von den Arbeitsplätzen."

Im selben Jahr veröffentlichte die Essener Landesanstalt für Immissionsschutz ein weiteres Meßergebnis. Die Abgase des B.U.S.-Werkes wiesen 25 Nanogramm Dioxin pro Kubikmeter auf. Das war das 250fache dessen, was eine neue Müllverbrennungsanlage ausstoßen darf.

Drei Jahre später übernahm Bärbel Höhn das Umweltministerium. Das Dioxin-Problem übernahm sie von ihrem Vorgänger: Im Februar 1997 stellte das Landesumweltministerium bei einer Untersuchung des Bodens von fünf Spiel- und Bolzplätzen in der Umgebung der Fabrik erneut erhöhte Dioxinwerte fest. Höhn sah dadurch "die Notwendigkeit emissionsmindernder Maßnahmen bestätigt". So wurde unter ihrer Ägide der B.U.S. ein Aktivkohlefilter verordnet. "Frau Höhn hat im Ministerium trotz Widerständen einen neuen Stil durchgesetzt. Der Filter war ein Fortschritt, er ermöglicht eine Schadstoffreduzierung, wie sie nach dem Stand der Technik möglich ist", resümiert Hermann Dierkes von der BI gegen Umweltgifte in Duisburg die Bemühungen der grünen Ministerin.

Trotzdem reicht es inzwischen vielen Hüttenheimern. Der Störfall von letzter Woche hat bei ihnen das Faß zum Überlaufen gebracht. Am vergangenen Montag stellten rund 300 B.U.S.-Anwohnern einen umfassenden Forderungskatolog auf, um endlich wieder ohne die ständige Angst vor Vergiftung in ihrem Stadtteil leben zu können. Sie verlangen eine kontinuierliche Messung der Dioxinwerte und ein langfristiges medizinisches Begleitprogramm. Eine weitere Forderung: Die B.U.S.-Verantwortlichen sollten "wegen Körperverletzung, Umweltverseuchung, Mißachtung ihrer Informationspflicht sowie weiterer umweltrechtlicher Bestimmungen" strafrechtlich belangt werden. Nicht zuletzt verlangen die Hüttenheimer Bürger die Stillegung der Firma "bis alle rechtlichen, technischen, und organisatorischen Voraussetzungen für einen verantwortbaren Weiterbetrieb geschaffen sind."

Dem B.U.S.-Vorstand warfen sie vor, Regressansprüche herunterhandeln zu wollen. Nun wollen die betroffenen Nachbarn per Sammelklage und mit kompetentem juristischen Beistand gegen das Unternehmen vorgehen. Zudem wollen sie sich als Bürgerinitiative zusammenschließen, um organisiert gegen die Dioxinbelastung anzukämpfen.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz beantragte am Montag beim Staatlichen Umweltamt Duisburg die Betriebsstillegung und den Widerruf der Betriebserlaubnis des B.U.S.-Werkes.Darüberhinaus stellte die Organisation Strafanzeige gegen die B.U.S. "wegen des Verdachts auf schwerwiegende Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen des Umweltschutzes speziell gegen das Bundes-Immissions-Schutz-Gesetz sowie schwerwiegende Körperverletzung".

Die Duisburger Staatsanwaltschaft ermittelt bereits wegen des Störfalls gegen die Verantwortlichen. Das Unternehmen habe gegen das Emissionsschutzgesetz verstoßen und zudem seine Meldepflicht verletzt, so der Vorwurf. Die Behörde hegt den Verdacht, daß eine Filteranlage entweder falsch eingebaut oder nachlässig kontrolliert worden ist. Zudem droht dem Unternehmen ein Bußgeld von bis zu 20.000 Mark, da es gegen die Schadensanzeigeverordnung des Landes NRW verstoßen hat.

Auch in punkto Arbeitsschutz steht es bei der B.U.S. GmbH nicht zum besten. Gesetzliche Arbeitsschutzbestimmungen seien "ignoriert oder nur äußerst unzulänglich erfüllt" worden, so der Erste Bevollmächtigte der Duisburger IG Metall, Peter Gasse. Aber dafür stimmt bei der B.U.S. die Kasse: Im ersten Quartal 1999 stieg ihr Umsatz um 48 Prozent auf 153,7 Millionen Mark.


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