27.05.1999



Verpatzte Gipfel-Generalprobe

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taz

*   Verpatzte Gipfel-Generalprobe
Von Pascal Beucker und Marcus Meier

Nachwuchs-GröFaZe konnten nur 100 Meter marschieren.

In den ersten drei Juni-Wochen wollen sich Staatsmänner aus aller Welt gleich dreimal in Köln treffen. Am vergangenen Samstag übte die Kölner Polizei schon einmal für die großen Ereignisse. Mit einem polizeilichen Großaufgebot versuchte sie, eine braune Trachtengruppe durch die Domstadt zu lotsen. Doch schon die Gipfel-Generalprobe ist fehlgeschlagen. 3.000 Ordnungshüter mußten hilflos zusehen, wie 150 alte und junge Nazis, die gegen die Wehrmachtsaustellung demonstrieren wollten, von 1.000 Gegendemonstranten schon nach einhundert Metern gestoppt, beschimpft und sogar mit Eiern, Tomaten und Joghurtbechern beworfen wurden. Bis die Nachwuchs-GröFaZe beschmiert wieder in ihre Busse von Mabo-Reisen aus Witten und Becker-Reisen aus Hünenknie-Langenstein steigen mußten.

Immerhin schaffte es die Polizei, Gastronomie und Einzelhandel in Köln zu beleben, indem sie einen anderen Teil der antifaschistischen Demonstration für mehrere Stunden ausgerechnet auf einer Kreuzung einkesselte, an der zwei Kneipen und ein Kiosk liegen. Alle drei dürften das Geschäft ihres Lebens gemacht haben.

Aber wie will eine polizeiliche Einsatzleitung, der es nicht einmal gelingt, mit -statistisch- zwanzig Polizisten einen Nazi vor sieben Gegendemonstranten zu schützen, die Sicherheit der höchsten Staatsmänner Europas und dieses Planeten garantieren? Was wird erst passieren, wenn auf einmal mehrere zehntausend Gegendemonstranten in der Stadt am Rhein protestieren - und vielleicht wie am letzten Samstag mit einer, laut Kölns leitendem Polizeidirektor Winrich Granitzka: "Kleingruppentaktik"?

"In der Tat können sich die Kölner in den kommenden Wochen auf einiges gefaßt machen.", prophezeit denn auch schon die Kölnische Rundschau. Und warnt vor den Euromärschen gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung, Rassismus und Krieg, die am kommenden Samstag die Kölschstadt heimsuchen wird. Nicht zu unrecht: Die Veranstalter erwarten 30.000 Teilnehmer. Die treffen sich alle um 12 Uhr am Rudolfsplatz. Laut Andreas Bodden von der Koordinierungsgruppe der Euromärsche hätten sich alleine schon aus Frankreich 100 Reisebusse angemeldet. Und wie militant diese Franzosen drauf sind, weiß man ja. Ob die Kölner und ihre Polizei da mit einem blauen Auge davonkommen?

Falls ja, warten gleich die nächsten Bewährungsproben auf sie. Am 3. und 4. Juni treffen sich im Kölner Gürzenich die EU-Regierungschefs. Ihre Außenminister werden sechs Tage später in einer noch nicht bekanntgegebenen Örtlichkeit zusammenkommen. Highlight des Monats wird indes der Gipfel der G8-Staaten, der vom 18. bis 20. in Köln stattfinden wird. Dann werden allerdings nicht 3.000, sondern 12.000 grüne Staatsdiener zum Räuber- und Gendarm-Spiel antreten. Oberpolizist Winrich Granitzka versprach bereits ein "konsequentes Eingreifen" schon bei "Lärmbelästigungen der Politiker - zum Beispiel durch Trillerpfeifen". Auch die "Beleidigung von Staatsoberhäuptern" will Granitzka nicht zulassen. Die Beamten sollten in solchen Fällen "konsequent und selbstständig einschreiten". Das wird ein Spaß!


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