10.06.1999



Flüchtlinge: Hungern nach Gerechtigkeit

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*   Flüchtlinge: Hungern nach Gerechtigkeit
Von Pascal Beucker und Annika Joeres

Mindestens bis zum Weltwirtschaftsgipfel ist das Kölner Büro der Grünen besetzt.

Sie kommen aus Kamerun, Nigeria, Togo, Peru, Sri Lanka, aus der Türkei und den Tamilen. Was sie gemeinsam haben, ist, daß sie aus ihren Heimatländern geflohen sind - und daß der deutsche Staat ihnen ein legales Leben in der Bundesrepublik nicht gestatten will. Am vergangen Freitag, als sich in Köln die Staats- und Regierungschefs Europas trafen, kamen auch die 13 Flüchtlinge der "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen" in die Domstadt. Sie besetzten das Büro des Kölner Kreisverbandes der Grünen und sind in den Hungerstreik getreten. Noch mindestens bis zum Weltwirtschaftsgipfel wollen sie dort aushalten.

Mit ihrer Aktion demonstrieren die Flüchtlinge "gegen rassistischen Terror und für Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden", wie sie in einer Erklärung zu ihrer Besetzung verkünden.

Die Grünen sind von der Aktion völlig überrascht worden. Sowohl die eiligst herbeigeeilte Europaabgeordnete Edith Müller als auch der Bundestagsabgeordnete Volker Beck schafften es nicht, die Flüchtlinge zu einer Beendigung ihrer Aktion zu bewegen. Eine Eskalation und eine polizeiliche Räumung drohte am Freitag Abend, als rund 100 Autonome und auch Teilnehmer am "Linksradikalen Gegenkongreß" den Flüchtlingen "zu Hilfe" eilen wollten. Doch diese managten die Situation grandios: Sie beruhigten die aufgeschreckten Grünen und komplimentierten ihre selbsternannten deutschen Beschützer hinaus. "Wir hatten sie nicht eingeladen", so Viraj Mendis aus Sri Lanka, einer der Besetzer.

Die Gründe für die Protestaktion der Flüchtlinge sind (leider) vielfältig - sie reichen von Forderungen nach einem sofortigen Ende der NATO-Bombardements bis zu einem Appell an die EU, massiven Druck auf die Türkei auszuüben, um den "barbarischen Schauprozeß zur Ermordung Abdullah Öcalans" zu stoppen.

Warum die Flüchtlinge nach Köln gekommen sind? "Köln, als die gastgebende Stadt der EU/G8-Gipfel, wird zugleich die Flüchtlinge und Unterdrückten beherbergen müssen, die die Konsequenzen ihrer Politik darstellen", erklären sie. Scharf kritisiert wird die menschenverachtende Abschiebepolitik der Bundesrepublik, die dem sudanesischen Flüchtling Aamir Mohamed Ageeb am 28. Mai den Tod brachte. Sie fordern, "nicht weiter deutschen Militarismus und Expansionismus mit Menschenrechten zu verteidigen", sondern endlich ein wirkliches Zeichen für Humanität zu setzen - und dies könne nur ein genereller Abschiebestopp sein. Am Mittwoch besuchte die Bundessprecherin der Grünen, Antje Radcke, die Flüchtlinge.


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