24.06.1999



Schluß mit lustig

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*   Schluß mit lustig
Von Pascal Beucker

Indische Bäuerinnen und Bauern demonstrierten in Köln gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen.

Köln (taz ruhr) - Einen Monat waren sie quer durch Europa gereist. In Belgien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Italien, Norwegen, Österreich, Spanien, der Schweiz und den Niederlanden hatten sie demonstriert für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung und gegen die Zerstörung ihrer ökologischen und sozialen Lebensgrundlagen. Rund 500 Kleinbauern und -bäuerinnen aus Indien, aber auch Landlose aus Bangladesh und Brasilien waren "von der Peripherie direkt ins Zentrum der Macht" gereist, um auf die Verhältnisse, unter denen sie leben müssen, aufmerksam zu machen. Ende letzter Woche hatte die 'Internationale Karawane für Solidarität und Widerstand' ihre letzte Station erreicht: den Weltwirtschaftsgipfel in Köln.

"Wir sind hierher gekommen, um Brücken zu bauen zwischen Menschen, welche ihre Zukunft zurückfordern wollen, welche jenen Institutionen nicht mehr gehorchen wollen, die das gegenwärtige selbstzerstörerische System einer globalen ökonomischen, politischen und militärischen Regierung konstruieren", erklärt Professor Nanjundaswamy auf der Auftaktkundgebung der 'Demonstration gegen Armut, Rassismus und Krieg' am Samstag in Köln. Der 63jährige Nanjundaswamy ist Präsident der Bauernbewegung 'Karnataka Rajya Raitha Sangha' (KRRS). Die im indischen Bundesstaat Karnataka angesiedelte KRRS ist mit über zehn Millionen Mitgliedern eine der größten Volksbewegungen Indiens. Die meisten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 'Internationale Karawane' gehören ihr an.

Doch Brückenschlagen ist nicht so einfach. An der Demonstration, zu der unter anderem Dritte-Welt- und Ökologie-Gruppen, die Jungsozialisten in der SPD und mehrere grüne Abgeordnete aufgerufen hatten und an der über 10.000 Menschen teilnahmen, beteiligen sich nur wenige der indischen Bäuerinnen und Bauern. Aus einem einfachen Grund: Die Mehrzahl von ihnen hatte Angst, in die Kölner Innenstadt zu fahren. Denn am Tag zuvor hatten sie unangenehme Bekanntschaft mit der deutschen Staatsmacht machen müssen.

Unter dem Motto "Auslachen statt Mitmachen" wollte die 'Internationale Karawane' am Freitag eine 'Laugh Parade' auf der Kölner Domplatte in unmittelbarer Nähe der Staats- und Regierungschefs der G8 abhalten. In Indien ist die Aktionsform des 'satzagraha' eine Form des Widerstandes in der Tradition Mahatma Ghandis. Doch kaum hatten die deutschen Sicherheitskräfte von der bevorstehenden Aktion erfahren, war Schluß mit lustig: Unmittelbar nachdem rund 350 vor allem indische 'Karawane'-Teilnehmer im Kölner Stadtteil Riehl, in dem sie ihr Camp aufgeschlagen hatten, die Straßenbahn bestiegen, um zum Dom zu fahren, umstellte die Polizei die Bahn und nahm die Personalien der völlig überraschten und geschockten Fahrgäste auf. Dabei sollen einige von ihnen nach Augenzeugenberichten geschlagen worden sein. Drei Demonstranten nahm die Polizei wegen Nötigung und Widerstand fest. Gegen alle Demonstranten wurden Platzverweise für den gesamten Innenstadtbereich erteilt. Man habe Erkenntnisse gehabt, "daß die Absicht bestand, durch Verkehrsblockaden oder sonstige demonstrative Aktionen in der Innenstadt den Ablauf der Gipfelveranstaltungen zu beeinträchtigen", begründete die Polizei ihren Einsatz.

Am Samstag flogen die ersten indischen Bäuerinnen und Bauern der 'Interkontinentalen Karawane für Solidarität und Widerstand' wieder zurück nach Indien. Die letzte Gruppe verließ am Dienstag Europa. Vielen von ihnen war das Lachen vergangen.


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