08.07.1999



Goldene Brücke eingerissen

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taz

*   Goldene Brücke eingerissen
Von Pascal Beucker

Die Prozeßvertreter des Landtags schlugen VGH-Angebot auf eine Entscheidung nach den Kommunalwahlen aus.

Die Richter am Landesverfassungsgericht in Münster hatten eine goldene Brücke bauen wollen. Bis zum 14. September, so boten sie dem Prozeßbevollmächtigten des Landtags, Raimund Wimmer, an, könnte das Gericht ihm Zeit geben, um noch weitere Argumente für die Beibehaltung der 5-Prozent-Klausel bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen vorzutragen. Ein großzügiges Angebot - denn am 12. September sollen die nächsten Kommunalwahlen in NRW stattfinden. Hätte Wimmer es angenommen, dann wäre im Falle einer Entscheidung gegen die Sperrklausel fünf Jahre Zeit gewesen, die entsprechenden Gesetze zu ändern. Und SPD, CDU und Grüne wären in den meisten Städten des Landes auch noch in der nächsten Legislaturperiode unter sich geblieben.

Doch Professor Dr. Wimmer schlug - in Absprache mit dem Justitiar des Landtags, Landtagsdirektor Heinrich Große-Sender (SPD) - das Angebot aus. Er wolle keine "heiße Luft" blasen, der Landtag habe seine Argumente "lückenlos" vorgetragen, erklärte der Bonner Fachanwalt für Verwaltungsrecht Mitte Juni den verdutzten Richtern.

Das Münsteraner Verfassungsgericht reagierte umgehend: Wenn es nichts mehr vorzutragen gäbe, könne das Urteil auch noch vor dem Kommunalwahlen gefällt werden. Nach Aktenlage. Und das die nicht gut für die Anhänger der Kleine-Parteien-Verhinderungsregelung ausfällt, ließ Gerichtspräsident Michael Bertrams schon in der mündlichen Anhörung am 15. Juni durchblicken. Es sehe für den Fortbestand der Sperrklausel "nicht günstig aus", so Bertrams.

"Selten hat sich eine Prozeßpartei so dämlich aufgeführt, wie der Düsseldorfer Landtag bei seiner Verteidigung der Fünf-Prozent-Hürde", kommentierte die Frankfurter Rundschau den sonderbaren Auftritt von Wimmer und Große-Sender. "Der Vorgang ist so unglaublich, daß der Landtagspräsident gehalten ist, nach der Sommerpause über die Ursache nachzudenken", empörte sich der Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion Edgar Maron. Aus Kreisen der Regierungskoalition hieß es gar, das Verhalten Wimmers und Große-Senders grenze an "Parteienverrat".

Nun sah sich Parlamentspräsident Ulrich Schmidt (SPD) zu hektischem Krisenmanagement gezwungen. Eiligst brach er seinen Mallorca-Urlaub ab, feuerte Wimmer und heuerte an seiner Stelle den konservativen Rechtspapst Konrad Redeker an. Der sollte nun retten, was noch zu retten war. Zu spät. Die schriftliche Bitte, den Verkündungstermin wieder aufzuheben und dem Landtag doch noch eine Gelegenheit zu weiteren Darstellungen zu geben, lehnte das Verfassungsgericht am 1. Juli ab. Der nachgereichte Schriftsatz des Landtags zeige "keine neuen entscheidungserheblichen Umstände auf", erklärten die Richter.


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