07.10.1999



Verhaften statt prüfen

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taz

*   Verhaften statt prüfen
Von Pascal Beucker und Marcus Meier

Kurdischem Flüchtling aus dem Wanderkirchenasyl droht Abschiebung.

Pfarrer Volker Jeck, Beauftragter für Flüchtlingsfragen im Kirchenkreis Lünen, ist empört. In seiner Gemeinde herrschten "Trauer und Wut". 16 Monate lebte Hasan Tayfun im Wanderkirchenasyl (WKA) in der Kirchengemeinde Dortmund-Lünen. Bis letzte Woche. Dann schlug die Polizei zu. Nun sitzt der 51jährige kurdische Familienvater in Abschiebehaft - für Jeck, der eine Patenschaft für die Famile Tayfun übernommen hat, ein Skandal.

Das Bundesamt für Asylangelegenheiten in Oldenburg hatte Tayfun am vergangen Donnerstag zu einem Gespräch geladen. Der kurdische Flüchtling sollte darlegen, warum er einen Asylfolgeantrag stellen will. Es habe eine Absprache mit dem niedersächsischen Innenministerium gegeben, die Tayfun ein gefahrloses Verlassen des WKA garantierte, berichtet Christoph Diestelhorst, Pfarrer im Kirchenkreis Dortmund-Lünen.

Doch ein Angestellter des Bundesamtes hat trotzdem die Polizei über die Anwesenheit Tayfuns informiert. Die ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen: Während seine deutschen Begleiter im Nebenraum in ein Gespräch verwickelt waren, nahm sie Tayfun fest. Pfarrer Diestelhorst fühlt sich ausgetrickst: "Wir hatten keine Chance zum Eingreifen", so Diestelhorst. "Das Vertrauensverhältnis ist mit Füßen getreten worden."

Erst Anfang des Jahres hatten Flüchtlinge aus dem Wanderkirchenasyl mit einer Besetzung der grünen Landesgeschäftsstelle in Düsseldorf die Freilassung von Hasan Tayfuns Sohn Mustafa aus der Abschiebehaft erreichen können.

Im Januar hatten die Flüchtlinge einen Kompromiß mit dem Landesinnenministerium akzeptiert (taz ruhr berichtete). Zwar konnten sie nicht das von ihnen geforderte generelle Bleiberecht durchsetzen, aber ihre Asylanträge sollten immerhin einer "wohlwollenden Einzelfallprüfung" unterzogen werden. Außerdem gab das Ministerium die Empfehlung an die zuständigen Behörden, keinen der WKA-Flüchtlinge in Abschiebehaft zu nehmen. Flüchtlingsinitiativen wie die Kölner Kampagne "kein mensch ist illegal" kritisierten allerdings damals, daß diese Regelung nur im Ausnahmefall zu einem gesichertem Aufenthaltsstatus führen werde. Besonders Flüchtlinge außerhalb des Zuständigkeitsbereichs NRWs seien weiterhin akut gefährdet. Flüchtlinge wie Hasan Tayfun.

Nun fordern neben Kirchenvertretern auch 33 Mitglieder des Dortmunder Stadtrats und die nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Ewald Groth (Grüne) und Annegret Krauskopf (SPD) die Freilassung Tayfuns. NRW-Innenminister Behrens solle bei seinem niedersächsischen Amtskollegen Heiner Bartling zugunsten des Kurden intervenieren. "Die Abmachungen müssen eingehalten werden!", verlangt Groth.

Tayfuns Situation ist bedrohlich. Nach Einschätzung des türkischen Menschenrechtsvereins IHD haben Flüchtlinge im Falle ihrer Abschiebung in die Türkei allein aufgrund ihrer Beteiligung am WKA "mit einem Strafverfahren, mit Mißhandlung oder gar Folter zu rechnen".


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