11.11.1999



Landes-Grüne hoffen wieder: Rote Karte für die Braunkohle

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taz

*   Landes-Grüne hoffen wieder: Rote Karte für Braunkohle
Von Pascal Beucker

RWE-Manager und NRW-Sozis fürchten: Die 2. Stufe der Ökosteuerreform könnte das Aus für den Braunkohletageabbau Garzweiler II bedeuten. Grünen-Sprecher Priggen warnt vor "Kohle-Ayatollahs".

Einen Tag vor ihrer am Freitag beginnenden Landesdelegiertenkonferenz haben die nordrhein-westfälischen Grünen Grund zum Jubel. Mit der für heute im Bundestag vorgesehenen Verabschiedung der zweiten Stufe der Ökosteuerreform könnten für den Braunkohletageabbau Garzweiler II endgültig die Todesglocken läuten. Die geplante Befreiung von neuen, hocheffektiven Gaskraftwerken, die nur halb soviel klimaschädliches CO2 ausstoßen wie Braunkohlekraftwerke, von der Mineralölsteuer bedeute die "Beerdigung zweiter Klasse für Garzweiler II", prognostiziert die grüne Landesumweltministerin Bärbel Höhn.

Noch am vergangenen Freitag hatten die Vorstände von RWE Energie und Rheinbraun, Manfred Remmel und Berthold Bonekamp, mit einem Brand-Brief an Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, Ministerpräsident Wolfgang Clement und Landeswirtschaftsminister Peer Steinbrück versucht, zu retten, was noch zu retten ist. Da sich durch die Steuerentlastung für Gaskraftwerke mit einem hohen Wirkungsgrad von 57,5 Prozent deren Stromerzeugungskosten um rund 0,7 Pfennig je Kilowattstunde reduzierten, geriete die Braunkohle in eine erheblich schlechtere Wettbewerbposition, rechneten die Energiemanager vor. Wenn die von der rot-grünen Bundesregierung vorgeschlagene Regelung "jetzt so Gesetz wird, müssten wir unsere auf die Braunkohle bezogenen unternehmerischen Planungen und insbesondere unsere Investitionsvorhaben auf den Prüfstand stellen", drohten Remmel und Bonekamp. Damit stünde Garzweiler II vor dem Aus - aber auch das 25 Milliarden schwere Neubauprogramm für neue und saubere Kohlekraftwerksanlagen im rheinischen Revier.

Soweit will es NRW-Wirtschaftsminister Steinbrück nicht kommen lassen. Er forderte von der Bundesregierung eine Nachbesserung des Gesetzes. "Nordrhein-Westfalen wird keiner Regelung die Hand reichen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Braunkohle verschlechtert", kündigte der Sozialdemokrat an. Notfalls werde NRW deswegen im Bundesrat gegen die Ökosteuerreform stimmen. Das allerdings würde einen Bruch des rot-grünen Koalitionsvertrages bedeuten. Denn der regelt, dass sich NRW im Falle einer Nichteinigung der beiden Koalitionspartner im Bundesrat enthält.

Bärbel Höhn widersprach denn auch umgehend ihrem Kabinettskollegen. "Ich bin absolut gegen Nachbesserungen", erklärte die Grüne. Die Braunkohle habe weder wirtschaftlich noch ökologisch eine Zukunft. "Der Wirtschaftsminister müsste doch eigentlich für freie Marktwirtschaft sein", stichelte Höhn. Außerdem rücke RWE ohnehin "zunehmend von Garzweiler II ab und sucht nur einen ‚Schwarzen Peter'" für den Ausstieg. Da solle nun die Bundesregierung als "Sündenbock" herhalten. Auch der grüne Landessprecher Reiner Priggen sprach sich gegen die von Steinbrück geforderten Nachbesserungen aus. Die umweltfreundliche Gastechnologie, so Priggen, dürfe "nicht am Widerstand der Kohle-Ayatollahs" scheitern.

Während FDP-Landeschef Jürgen W. Möllemann nun von Clement die Entlassung Höhns aufgrund ihrer "unverhohlenen Schadenfreude" fordert, gibt sich der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Manfred Dammeyer, weiter kämpferisch: "Die SPD-Landtagsfraktion wird in Sachen Garzweiler II nichts anbrennen lassen, da sollte sich Frau Höhn keine falschen Hoffnungen machen."


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