16.12.1999



Flieger, grüß mir die Sonne

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taz

*   Flieger, grüß mir die Sonne
Von Pascal Beucker

Am Freitag wird der nordrhein-westfälische Landtag einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Düsseldorfer "Flug-Affäre" einsetzen. Für Johannes Rau könnte es eng werden. Und damit auch für Wolfgang Clement. Warum hat die WestLB immer noch nicht ihre Unterlagen über die Politiker-Flüge offengelegt?

Der SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Manfred Dammeyer ist erzürnt: "Wir sind die Schweinerei leid, da hineingerührt zu werden und in einem Atemzug mit Kohl und seinen schwarzen Kassen genannt zu werden." Es sei "schäbig, wie Finanzminister, Ministerpräsident und Bundespräsident in Geschichten hineingezogen werden." Am Freitag entscheidet der nordrhein-westfälische Landtag über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Düsseldorfer "Flug-Affäre". Ebenso wie CDU und Grüne wird auch die sozialdemokratische Fraktion dafür stimmen. Es bleibt ihr nichts mehr anderes übrig.

Nach den Worten Dammeyers soll der Landtagsausschuss "ohne Zucken und Zögern alle Vorgänge und Umstände um die seit 1989 von der Charter-Fluggesellschaft PJC durchgeführten Flüge aufklären". Für die SPD und die Landesregierung ist die vermeintliche "Flug-Affäre" weiterhin nichts weiter als eine böswillige Kampagne. Er sei "empört und entsetzt", poltert Ministerpräsident Wolfgang Clement, über einen "Verdachtsjournalismus", der auf Machenschaften basiere "von einem Piloten, der die WestLB betrogen hat, von einem Co-Piloten, der illegal Drogenhandel betrieben hat und deswegen dreizehn Jahre in Haft sitzt, und einer Frau, die das offensichtlich auszuschlachten versucht". Die beiden Nachrichtenmagazine Spiegel und Focus, so verbreiten SPD-Kreise, hätten zweifelhaften Quellen mehrere hunderttausend Mark hingeblättert, ohne jedoch das gekaufte Material ausreichend auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Also alles nur eine Räuberpistole?

Tatsächlich beruft sich der Spiegel auf die Angaben von Sabine Wichmann, der Witwe des 1997 verstorbenen Flugkapitäns Peter Wichmann, mit dessen Düsseldorfer Flugfirma "Privat-Jet-Charter" (PJC) die öffentlich-rechtliche Westdeutsche Landesbank (WestLB) bis Ende 1996 einen Flugbereitschaftsvertrag hatte. Wegen Ungereimtheiten bei Flugrechnungen soll sich die Bank im Streit von der PJC getrennt haben. Bis dahin verband Wichmann und WestLB-Chef Neuber eine Männerfreundschaft. Als der Pilot 1996 kurzzeitig in Haft kam, weil die Steuerfahndung den Verdacht hegte, dass seine Firma Schwarzgelder in Millionenhöhe nach Luxemburg und in die Schweiz verschoben hatte, soll kein Geringerer als Neuber persönlich die Übernahme der Kautionskosten durch die WestLB angeordnet haben.

Die Veröffentlichungen des Focus stützen sich nach Ansicht Heinz Schleußers "in wesentlichen Teilen auf Aufzeichnungen eines inhaftierten Straftäters". Gemeint ist Wichmanns Co-Pilot Ralph Henry Ermisch. Wegen Kokain-Schmuggels inhaftiert, saß er bis Anfang der Woche noch in der Justizvollzugsanstalt Geldern am Niederrhein. Der Kontakt zum Markwort-Blatt soll über eine Bochumer Privatdetektei zustande gekommen sein. Es heißt, mindestens fünf Mal hätten Focus-Reporter mit dem abgestürzten Luftschiffer gesprochen. Außerdem besitze das Münchner Magazin eine beglaubigte Kopie seines PJC-Pilotenbuches. Nach den Turbulenzen der letzten Tage wurde Ermisch inzwischen hektisch von Geldern nach Aachen verlegt.

"Jetzt soll ein Bundespräsident befragt werden, ob es wahr ist, was ein Knacki aus Geldern erzählt", empört sich der SPD-Fraktionschef Dammeyer. Allerdings war Ermisch nach Aussage von Sabine Wichmann "seit 1995 in der Firma meines Mannes nicht mehr tätig". Dann jedoch stammen die Informationen, die gerade Bundespräsident Johannes Rau in Bedrängnis bringen könnten, nicht von ihm.

Weiterhin bestreitet das Bundespräsidialamt, dass Rau den Flugservice der WestLB jemals privat genutzt hat. Laut Focus ist Rau jedoch am 14. Februar 1996 mit einem der WestLB-Charterjets zu Wahlkampfauftritten nach Rheinland-Pfalz geflogen. Eine "verdeckte Parteispende", wie die CDU vermutet? Aus dem Bundespräsidialamt heißt es, Rau habe dienstlich seinen Amtskollegen Oskar Lafontaine in Saarbrücken besucht. Was für ein glücklicher Zufall, dass er gleich um die Ecke in Bruchmühlbach-Miesau, in Haßloch und in Pirmasens der rheinland-pfälzischen SPD im Landtagswahlkampf unter die Arme greifen konnte.

Und Raus Learjet-Flug zum Militärflugplatz Wittmund, um noch die Fähre zu seiner Urlaubsinsel Spiekeroog zu erreichen? Nein, er habe nicht zum Ferienhaus der Familie seiner Frau gewollt. "Das ist alles falsch, ich war dort bei einem Treffen der elbischen Kirche", versichert der ehemalige Ministerpräsident. Was machte er auf einem Kirchentreffen für die NRW-Landesregierung? War es auch ein "Dienstflug", der ihn am 22. Mai 1996 nach Dresden und Erfurt brachte? Dort nahm "Bruder Johannes" an zwei Veranstaltungen des Vereins "Bibel und Kultur" teil. Rau ist Vorsitzender der frommen Vereinigung.

"Wir wollen wissen, was der Ministerpräsident Rau in seiner Amtszeit für Flüge gemacht hat", fordert der CDU-Fraktionsvorsitzende Laurenz Meyer. Für Aufklärung könnte die WestLB sorgen. "Wir wollen Unterlagen", verlangt Meyer. Die rückt das drittgrößte Geldhaus der Republik aber bisher nicht heraus.

Falls sich auch nur einer der Rau-Flüge als Privat- oder Parteireise erweisen sollte, geriete nicht nur der Bundespräsident in Erklärungsnotstand. Am vergangenen Freitag hatte sein Nachfolger als Ministerpräsident im Landtag noch ausgeschlossen, dass es neben den zwei bekannten Schleußer-Trips an die kroatische Adria noch weitere privat veranlasste Flüge von NRW-Regierungsmitgliedern mit der Landesbank-Flugbereitschaft gegeben hat. Gibt es doch noch weitere, dann hätte Wolfgang Clement gelogen.


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