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1/2001

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*   Im Clinch mit dem WDR
Von Pascal Beucker

Alfred Neven DuMont ist Herr eines beachtlichen Medienimperiums. Und er gilt als wenig zimperlich. Sieht er sein Reich bedroht, reagiert er nicht nur mit harsch formulierten Briefen.

Alfred Neven DuMont - Foto: Wolfgang JorzikFritz Pleitgen bemühte sich, die Contenance zu wahren: "Ihr Brief wundert mich", antwortete der WDR-Intendant und neue ARD-Chef am 13. November höflich Alfred Neven DuMont. Und Pleitgen versuchte, den Kölner Verleger zu beruhigen: "Wegen WDRpunktKöln werden Sie kein Abonnement verlieren und keine Zeitung weniger am Kiosk verkaufen. Werbung nehmen wir Ihnen auch nicht weg." Auch künftig werde der WDR "für kultivierte Verhältnisse in der hiesigen Medienlandschaft eintreten, im Interesse des Publikums und auch der Stadt Köln".

Weniger kultiviert hatte Neven DuMont zuvor eine volle Breitseite auf Pleitgen und den WDR abgefeuert. Es sei "dem WDR unter Ihrer Leitung gelungen, eine Kräfteharmonie zwischen gedrucktem Wort und elektronischen Medien, die insbesondere in Köln viele Jahrzehnte fortlebte, von Ihren Vorgängern gepflegt wurde und viele Gemeinsamkeiten aufzeigte, willkürlich zu zerstören", schrieb er am 8. November an Pleitgen. Keine öffentlich-rechtliche Anstalt in der Bundesrepublik betreibe "eine solche aggressive Hauspolitik". Der ehemalige Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) klagt noch weiter: "Mit Fairness, mit demokratischer Umsicht und demokratischen Grundwerten, die von einer gewissen Gleichberechtigung ausgehen, hat das alles nicht zu tun."

In Rage versetzt hat Alfred Neven DuMont ein kleines, täglich zwischen 17.45 Uhr und 18.20 Uhr ausgestrahltes Lokalfenster: "WDRpunktKöln". Offensichtlich ist er auf einen Werbegag hereingefallen, denn das 35 Minuten-Format, das der WDR großspurig als "Metropolenfernsehen" bewirbt und am 6. November außer in Köln auch noch in Dortmund einführte, kommt doch eher schmalbrüstig und inhaltlich dürftig daher. Trotzdem: Nirgendwo sonst gebe es "ein sogenanntes Metropolen-Fernsehen, wie Sie es hier gestartet haben", ereiferte sich der Verleger. "Sie verfolgen mit Ihrer Strategie ein Schema, das in der deutschen Geschichte oft genug seine Vorläufer hat", zieht Neven DuMont einen ungeheuerlichen Vergleich. Ohne Rücksicht auf Verluste besetze Pleitgen "neue Gebiete unter dem Vorwand, dass andere sie sonst später besetzen könnten".

Eindringlinge. Seit die Gratiszeitung "20 Minuten Köln" des norwegischen Schibsted-Verlages in sein Hoheitsgebiet eingedrungen ist, scheint der ohnehin leicht erregbare Kölner Medienzar Neven DuMont noch dünnhäutiger geworden zu sein. Dabei bestimmt er den Kölner Medienmarkt weitgehend nach Belieben. Sein Medienimperium ist beachtlich: Neben den beiden Tageszeitungen "Kölner Stadt-Anzeiger" und "Kölnische Rundschau"  gehören ihm noch das Boulevardblatt "Express" sowie die - als Reaktion auf "20 Minuten Köln" gestartete - Gratiszeitung "Kölner Morgen". Hinzu kommen Beteiligungen an mehr als einem Dutzend Anzeigenblättern, an "Radio Köln" und weiteren privaten Lokalradios, an einer monatlich erscheinenden Stadtillustrierten und an einem Buchverlag. (In Halle gibt er zudem die "Mitteldeutsche Zeitung" heraus.) Mit "20 Minuten Köln", dem einmal pro Woche erscheinenden Kölner Lokalteil der "tageszeitung" sowie der alternativen "StadtRevue" hat er im Kölner Raum eine überschaubare Konkurrenz.

Doch Neven DuMont sieht sein Reich bedroht: Auf Grund der kostenlosen Konkurrenz verzeichneten seine Verkaufsblätter "Kölnische Rundschau" und "Express" einen Verlust von vier Prozent, der "Kölner Stadt-Anzeiger" verlor 2,5 Prozent an Auflage - während der BDZV bundesweit nur einen Auflagenrückgang von jährlich einem Prozent errechnet habe.

Bröckelnde Auflagen. Ausgerechnet in dieser "prekären Situation", so klagt der 73-Jährige, bedränge "WDRpunktKöln" noch zusätzlich den "ohnehin belasteten" Kölner Zeitungsmarkt. Trotz anderweitiger Beteuerungen werde es Pleitgen "zweifellos gelingen, die Auflagen der Tageszeitungen in Köln und damit den Lesermarkt weiter abbröckeln zu lassen". Und Neven DuMont mutmaßt bereits über die nächsten finsteren Pläne gegen sein Verlagshaus: die mögliche "Kombination einer der Gratis-Zeitungen mit ‚WDR-punktKöln'". Was ihn besonders verbittert: "Noch vor Jahr und Tag haben Sie mit mir in ihrem Büro und bei einem Essen von einer abgestimmten Zukunft gesprochen."

WDR-Intendant Pleitgen kann die Aufregung nicht verstehen. Wer auf dem Kölner Zeitungsmarkt "die Macht hat, wissen Sie selbst am besten", antwortete er. Neven DuMonts Brief sei "keine sachliche Darstellung, sondern reine Polemik." Kölns Citizen Kane wolle ins Verlegerfernsehen, deshalb denunziere er den WDR. "Wir kommen also nicht auf Ihr Feld, sondern Ihr Haus will gegen den WDR antreten." Doch das verhindert bislang das nordrhein-westfälische Privatrundfunkgesetz. Es erlaubt kein Verleger-Ballungsraumfernsehen. Und eine geplante Novellierung lässt zum Leidwesen Neven DuMonts auf sich warten.

Für Pleitgen sind die Fernsehambitionen Neven DuMonts allerdings bedenklich: "Ob es für die Meinungsvielfalt gut ist, wenn ein Veranstalter in allen Medien antritt, halte ich für äußerst fraglich." So habe der Leitartikel im "Kölner Stadt-Anzeiger" bereits "einen Vorgeschmack gegeben, was zu erwarten ist, wenn Sie auch Fernsehen machen sollten". In dem Text hatte ein Redakteur unter der Überschrift "Ein Sender auf Abwegen" das "Stadtfernsehen"-Monopol des WDR attackiert: "Dem Lokal-TV aber, das der WDR unter Protektion der Landesregierung veranstalten darf, stehen die Zeitungsverlage wehrlos gegenüber." Das sei "eine grobe medienpolitische Fehlleitung und ein wettbewerbspolitischer Skandal".

Ein Text, ganz im Sinne des Herausgeber, der sich, wie es aus Redaktionskreisen heißt, jeden medienpolitischen Artikel persönlich vorlegen lässt. Pleitgen gefiel er nicht: "Hätte ich wie Sie auf jedes kritische Wort mit einem Protestbrief reagiert, müsste ich Ihnen eigentlich jede Woche schreiben."

Alfred Neven DuMont greift gerne mal zur spitzen Feder. Auf Freundlichkeitsfloskeln legt er dabei wenig Wert. So schrieb er im Dezember 1999 als Reaktion auf eine Pressemitteilung der Grünen im Kölner Stadtrat der damaligen grünen Bürgermeisterin und heutigen schleswig-holsteinischen Justizministerin Anne Lütkes: "Es wird berichtet, dass die Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen folgende Formulierung abgesondert hat." Die Grünen hätten ihre Haltung zu korrigieren.

Auch die SPD bekam Post. Sie wurde von dem früheren Präsidenten der Kölner Industrie- und Handelskammer davor gewarnt, das vermeintliche Engagement zweier SPD-Mitglieder für "20 Minuten Köln" könne "das Verhältnis der SPD Köln zu meinem Haus nachhaltig belasten". Die Sozialdemokraten leisteten umgehend Abbitte.

Harte Bandagen. Auch ansonsten gibt sich Neven DuMont wenig zimperlich, wenn er seine Interessen tangiert sieht. So setzte er 1996 kurzentschlossen den langjährigen "Stadt-Anzeiger"-Redakteur Hartmut Schergel vor die Tür, nachdem dieser DuMont-kritische Bemerkungen in dem Artikel eines freien Autoren hatte durchgehen lassen (vgl. journalist 9/96). Der Herausgeber sah in dem Journalisten ein "publizistisches Sicherheitsrisiko". Das Arbeitsgericht kam zu einem anderen Urteil. Die Kündigung musste zurückgenommen werden. Der Versuch, die Ausstrahlung eines Kanal-4-Beitrages über den "Fall Schergel" im Privatsender RTL zu verhindern, scheiterte ebenfalls (vgl. journalist 3/97).

Auch gegen den WDR kämpft Alfred Neven DuMont mit harten Bandagen. Er belässt es nicht bei harsch formulierten Briefen. Sein Verlag M. DuMont Schauberg hat bis auf weiteres alle Werbekooperationen mit dem WDR eingestellt. Zudem sollen nach Informationen des Branchendienstes "Funkkorrespondenz" die Chefredakteure von "Stadt-Anzeiger" und "Express" angewiesen worden sein, nur noch das Nötigste über den WDR zu berichten.

Das allerdings bestreitet Hasso Graf Bülow von Dennewitz, der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Verlages. Wie könnte es anders sein, sind doch die Bösen immer die anderen. In diesem Fall ist es mal wieder der WDR.


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