Jüdische Allgemeine
Nr. 15 / 56. Jhrg. / 19.07.2001

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*   Von den Tätern keine Spur
Von Pascal Beucker

Düsseldorfer Anschlag auch nach einem Jahr ungelöst.

Emotionen zeigen, ist nicht seine Sache. Von Resignation mag Johannes Mocken deshalb nicht sprechen. "Schreiben Sie lieber: Ich halte den Ermittlungsstand für äußerst unbefriedigend" Doch bei aller demonstrativer Sachlichkeit: Der Düsseldorfer Staatsanwalt kann nur schwer verbergen, wie sehr es ihn deprimiert, immer noch nicht die Täter des Düsseldorfer Stoffanschlags präsentieren zu können. „Wir haben versucht, die Tat mit allen Mitteln aufzuklären - mehr kann man nicht tun", sagt er frustriert. Und: "Wir haben die Hoffnung trotzdem noch nicht ganz aufgegeben." Auch wenn inzwischen wahrscheinlich nur noch der Zufall helfen könne.

Fast ein Jahr ist inzwischen seit jenem 27. Juli 2001 vergangen, als um 15.04 Uhr ein mit Sprengstoff gefüllter Metallbehälter am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn explodierte und zehn Schüler einer nahe gelegenen Sprachschule im Stadtteil Flingern zum Teil schwer verletzte. Mit den Folgen haben die Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, sechs von ihnen jüdischen Glaubens, immer noch zu kämpfen Zwei von ihnen Tatjana L. und ihr Ehemann Michail konnten erst Ende Juni das Krankenhaus verlassen und sind weiterhin in ärztlicher Behandlung. Ihr hatte die Detonation ein Bein fast abgerissen. Zudem tötete ein Bombensplitter ihr ungeborenes Baby im Mutterleib. Ihm wurde im Splitterhagel, der Bauch aufgerissen. Alle Opfer haben bis heute mit großen psychischen Problemen zu kämpfen und werden weiterhin von Sozialarbeitern der Jüdischen Gemeinde betreut.

Die blutige Tat löste eine bundesweite Debatte über die Gefahr von rechts aus. Ob jedoch tatsächlich Neonazis hinter dem Anschlag stecken, ist bis heute genauso unklar, wie, vor einem Jahr. "Wir ermitteln weiter in alle Richtungen“, sagt Staatsanwalt Mocken. Dabei orientiere er sich an drei "Haupttheorien": „Tat von Rechts, Tat eines Verrückten, Tat im Zusammenhang mit Erpressung.“ Aber das seien leider alles nur Theorien.

Trotzdem liegt die Russenmafia-Theorie dem stets und vor allein um das Ansehen seiner Stadt besorgten Düsseldorfer Oberbürgermeister Joachim Erwin "gefühlsmäßig am nächsten". Kein Wunder: Dann wäre seine Welt endgültig wieder in Ordnung, nachdem bereits der Anschlag auf die Synagoge auf das Konto zweier Täter "arabischen Geblüts" (Erwin) ging.

War es die Russenmafia? Oder doch ein gezielter antisemitischer Anschlag? Oder die Tat eines Verrückten, die jeden hätte treffen können? Esra Cohn mahnt mit Spekulationen zurückhaltend. zu sein. Auch wenn der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf "nach wie vor" denkt, daß "eher Rechtsradikale" hinter der Tat stecken. Aber auch wenn sie es nicht gewesen sein sollten: Zur Beruhigung gäbe das keinen Anlaß. Er habe sich nicht vorstellen können, "daß so etwas wieder in Deutschland passieren kann". Natürlich bliebe bis heute "ein unsicheres Gefühl". Die Lehre aus dem heimtückischen Anschlag: "Wir müssen auf der Hut sein."


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