02.05.2001

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Jungle World

*   Stolz wie Strauß
Von Pascal Beucker

Der Feind steht rechts. Erster Teil einer Serie über die Vergangenheit führender deutscher Politiker. Diese Woche im Porträt: Friedrich Merz.

Der Mann hat für jeden etwas parat. »Drückebergern« beispielsweise will Friedrich Merz im Extremfall nur noch Lebensmittelgutscheine und Sachleistungen zukommen lassen. Schließlich, so die »Maschinenpistole der CDU« (Süddeutsche Zeitung) letzte Woche, sei genug Arbeit da »für die, die arbeiten können und wollen«.

Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag weiß aber auch arbeitswütigere Gemüter zu bedienen. Vor allem Deutsche: »Heimat, Vaterland, Nation - das sind keine rechtsextremen Begriffe, sondern sie beschreiben ein natürliches Selbstverständnis, das in Deutschland gelebte Realität ist.«

Wolfgang Porth hat in konkret das Problem mit dem Rechtsextremismus vor Zeiten so beschrieben: Die Schwierigkeit sei, dass der Begriff eine Normalität voraussetze, die sich davon unterscheide. Heute existiere fast kein Rechtsextremismus mehr, »denn es fehlt die Normalität links von ihm, auf die er sich logischerweise beziehen müsste«. Die Normalität heute, das ist Friedrich Merz.

Seit Ende Februar vergangenen Jahres steht der Sauerländer an der Spitze der Unionsfraktion in Berlin und demonstriert auf eindrucksvolle Weise, was er unter der »integrierenden Kraft« der Union versteht. Keiner bekämpft den Rechtsextremismus in Deutschland so entschlossen wie der 1,98-Meter-Mann. Er nimmt den Neonazis einfach die Themen weg. Sein Motto: »Wer Hitze nicht aushält, hat in der Küche nichts zu suchen.« Deshalb sei er auch »strikt dagegen, dass wir uns - von wem auch immer - irgendwelche Themen zum Tabu erklären lassen«.

Und schon gar nicht im Wahlkampf: »Jetzt reicht's! Trittin beleidigt ganz Deutschland. Die SPD schaut zu«, hieß es im März in ganz Rheinland-Pfalz auf CDU-Plakaten und -unterschriftenlisten. Die Idee für die Schlagzeile wie aus der Nationalzeitung hatte Merz gemeinsam mit dem dortigen CDU-Spitzenkandidaten Christoph Böhr. Wer »so hasserfüllt« wie Trittin über Deutschland rede, meinte Merz, »der kann nicht gleichzeitig Mitglied der Bundesregierung Deutschlands sein«.

Auch zum deutschen Asylrecht will der dreifache Familienvater wieder eine »normale Beziehung« finden. Schließlich habe die alte Bundesrepublik wegen der »Erfahrungen des Nationalsozialismus, die ich respektiere«, nicht den Mut gefunden, zu sagen, wen sie nicht im Land haben wolle. Damit müsse nun Schluss sein: »Unsere Generation will sich nicht mehr derart in Haftung für unsere Vergangenheit nehmen lassen.« Auf die Umwandlung des Individualrechts auf Asyl in eine institutionellen Garantie will der Pragmatiker Merz jedoch vorerst verzichten, »wenn wir in die Asylgesetze ein Verbot der politischen Betätigung während des laufenden Asylverfahrens hineinschreiben«.

Ja überhaupt, die Ausländer: Wo »Deutsche in ihrer Stadt in die Minderheit geraten und um ihre Identität bangen«, ist sich Merz sicher, da entstehen Probleme. Deshalb müsse man »Parallelgesellschaften« bekämpfen sowie die »deutsche Leitkultur« schützen und durchsetzen. Das bedeutet zum Beispiel: »Wenn das Tragen von Kopftüchern aus religiösen Gründen erfolgt, ist das in Schulen nicht akzeptabel.«

Was aus »religiösen Gründen« akzeptabel, ja geradezu notwendig ist, weiß schließlich kaum einer besser als der gute Katholik Merz. Er gehörte zu den Unionsabgeordneten, die in der Abtreibungsdebatte 1995 gegen den Regierungskompromiss stimmten. Die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften lehnt er ebenso vehement ab, wie die Aufgabe des völkischen deutschen Staatsangehörigkeitsrechtes. Seine Verteidigung der ÖVP/FPÖ-Regierung in Österreich bescherte Merz den Vorwurf Gerhard Schröders, er setze »sich dem Verdacht aus, Herrn Haider auch inhaltlich nahe zu stehen«.

Früher, vor seiner steilen politischen Karriere, die ihn bereits 1989 ins Europaparlament und 1994 in den Bundestag führte, will Merz ein ganz anderer gewesen sein: nicht der reaktionäre Spießer und Langweiler, sondern ein richtig wilder Friedrich. Schade nur, dass die Geschichte erfunden ist, wie ein Klassenkamerad später in der Zeit versicherte.

Immerhin hat der kleine Friedrich einmal seinen ganzen Mut zusammengenommen und seinem Vater angedroht, zum politischen Frühschoppen der Jusos zu gehen. Was er dann natürlich doch nicht tat, schließlich war der Dad CDU-Kreisvorsitzender. Stattdessen trat der Junior bereits als Schüler der Jungen Union bei, engagierte sich für sein leuchtendes Vorbild Franz Josef Strauß und gegen die Ostpolitik Willy Brandts.

Nach dem Abitur 1975 und seinem Wehrdienst bei der Panzerartillerie, begann Merz 1976 mit dem Jura-Studium an der Universität Bonn. Wie es sich für einen Jungmann seines Schlags gehört, trat er hier der Bavaria zu Bonn bei, die dem Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) angehört. Was er über diese Zeit zu berichten weiß, klingt wahrheitsgetreuer als die Schwänke aus seiner Jugend: »Wir sind abends immer an der Schumann-Klause mit erhobener Faust vorbeigezogen, dem Treff der Bonner Linken, und haben schon überlegt, dass wir da mal reinmarschieren und einen kleinen Bürgerkrieg mit denen anzetteln.«

Das würde er heute nicht mehr machen, beteuert Merz. Er sei »im Laufe der Jahre liberaler geworden«. Seinen alten Kameraden ist er allerdings immer noch verbunden, eine Einladung zum Festkommers schlägt der »Alte Herr« nur ungern aus. Und einen »Bundesbruder« bestellte er zum Leiter seines Bundestagsbüros: Michael Eilfort gehört der Akademischen Verbindung Cheruskia Tübingen an. Man kennt sich, man hilft sich. Friedrich Merz ist halt ein guter Christ und ein noch besserer Deutscher. Darauf kann er stolz sein.


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