10.10.2001

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Jungle World

*   "Kein deutsches Blut opfern"
Von Pascal Beucker

Die deutsche Friedensbewegung formiert sich. Auch die rechtsextreme NPD protestiert gegen die »Weltpolizei USA«.

Wer sich in diesen Tagen im Internet auf die Suche nach Globalisierungsgegnern macht, dürfte auf eine bemerkenswerte Seite stoßen: www.gegen-globalisierung.de, der »Informationsplattform zum Thema Globalisierung«. Hier finden sich beispielsweise Links zur Globalisierungssonderseite von Yahoo oder zum Online-Spezial »Grenzen der Globalisierung« der Frankfurter Rundschau. Einen Demonstrationsaufruf gibt es dort auch: »Globalisierung stoppen - stoppt die Weltpolizei USA!« Die deutsche Friedensbewegung macht mobil. Doch wer hier am 27. Oktober in Heidelberg demonstrieren will, sind keine netten attac-Aktivisten oder gar antiimperialistische Autonome; www.gegen-globalisierung.de ist eine Homepage des Bundesvorstands der Jungen Nationaldemokraten.

Was die jungen Nazis für das Monatsende planen, haben die älteren schon hinter sich. 1 000 Volksgenossen versammelten sich am 3. Oktober zu einer »Friedensdemonstration«. Unter dem Motto »Deutschland ist mehr als die BRD - Frieden für Deutschland - Keine Stimme den Kriegsparteien« marschierten sie durch die westliche Berliner Innenstadt, hörten sich die Ausführungen des Neonazis Christian Worch und einen Aufruf des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt zur Kriegsdienstverweigerung an. Denn die werde zur »soldatischen Pflicht«, wenn »deutsches Blut« für fremde Interessen geopfert werden solle, so der frühere Berufssoldat.

Auf ihren Hauptredner mussten die braunen Friedensmarschierer allerdings verzichten. Horst Mahler hatte von den Berliner Behörden Redeverbot erhalten. Gekommen war der NPD-Anwalt trotzdem: Auf der Ladefläche des Demo-Lautsprecherwagens sitzend und mit einem roten Tuch mit der Aufschrift »BRD-Maulkorb« vorm Mund, präsentierte er sich als Märtyrer.

In Hannover hingegen schienen sich seine Kameraden diesen lächerlichen Anblick ersparen zu wollen. Obwohl die örtliche NPD vor dem Verwaltungsgericht die Aufhebung einer Verbotsverfügung des Polizeipräsidenten erreichen konnte, sagte sie ihre für den vergangenen Samstag geplante Kundgebung »Solidarität mit Palästina« kurzfristig ab. Denn wie schon in Berlin bestätigte das Gericht Mahlers Redeverbot.

Während die Hannoveraner Nationaldemokraten nicht ohne ihren Star antreten wollten, ersetzte ihn in Berlin der Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt. Er verlas einen »verhinderten Redebeitrag« des Wirrkopfs, mit dem die Partei ihrem Verbot wieder einen Schritt näher gekommen sein dürfte. Der Kernsatz der mit »Den Völkern Freiheit. Den Globalisten ihr globales Vietnam« überschriebenen Erklärung: »Der Luftschlag vom 11. September 2001 ist die Markierung der Globalisten als Aggressoren durch die geschundenen und abgeweideten Völker.« Daraus leite sich »der Kampfauftrag her, das Menetekel von Washington und New York für unser Volk lesbar, die darin liegende Botschaft bewusst zu machen«.

Ebenfalls wenig hilfreich im laufenden Verbotsverfahren dürften für die NPD die Bemerkungen ihres Mitglieds Steffen Hupka gewesen sein. Obwohl den Teilnehmern eine Rechtfertigung der Terroranschläge von New York und Washington in Reden, Sprechchören und auf Transparenten untersagt worden war, konnte es sich Hupka nicht verkneifen, die Anschläge vom 11. September als Widerstand der unterdrückten Völker gegen den US-Imperialismus zu bezeichnen. »Ich wünsche den USA den Tod als Macht in der Welt«, tönte der ehemalige sachsen-anhaltinische Landesvorsitzende.

Dabei versucht die Bundesspitze zur Zeit alles, um den Karlsruher Verfassungsrichtern, die am Donnerstag die vom Bundestag, vom Bundesrat und von der Bundesregierung gestellten Verbotsanträge für zulässig erklärten, nicht noch weitere Verbotsargumente zu liefern. So hatte der Parteivorstand in seiner offiziellen Erklärung die Terroranschläge in den USA pflichtschuldig zunächst verurteilt und festgestellt, dass Gewalt kein Mittel der Politik sein dürfe. Erst danach erging er sich in den üblichen Antiamerikanismen. Über seinen schleswig-holsteinischen Landesverband, der diesen rhetorischen Zweischritt vergessen und von einem »kriegerischen Befreiungsschlag der freien Welt gegen die imperialistische Politik der USA« fabuliert hatte, verhängte NPD-Chef Voigt hingegen am 23. September per »Sondervollmacht« den »organisatorischen Notstand«. Der Landesvorstand wurde suspendiert, die Internetseite gesperrt.

Auch um Kopf und Kragen geredet hat sich Dieter Kern, der Vorsitzende des Bündnisses Rechts und Mitveranstalter der Berliner Demonstration am 3. Oktober. Kern ist seit Anfang diesen Monats seinen Job bei der Stadt Lübeck los. Zum Verhängnis geworden ist ihm eine öffentliche Erklärung, in der er sich ebenfalls über die Terrorakte von New York und Washington ausgelassen hatte.

»Wie lange kann man weltweit gegen Völker Terror ausüben, Terror schüren, Bürgerkriege inszenieren, Völker mit Sanktionen überziehen usw., wie Amerika es schon seit Jahrzehnten mit seiner >One World-Idiotie< betreibt, um diese dermaßen in die Knie für die Interessen einer zionistischen Oligarchie zu zwingen, dass es zu einer längst überfälligen Befreiungsaktion gegen die USA kommen musste und sich Menschen in ihrem Befreiungskampf selbst bedingungslos opfern?« fragte der 46jährige Nazi, der bisher im städtischen Umweltamt für die Genehmigung von Kläranlagen zuständig war. Der Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) reagierte umgehend mit einer fristlosen Kündigung. Kerns Aussagen stellten eine Missachtung der in Artikel eins des Grundgesetzes geschützten Menschenwürde dar, hieß es aus dem Rathaus.

Es ist das dritte Mal, dass die Stadt versucht, Kern loszuwerden. Zweimal war Saxes Amtsvorgänger Michael Bouteiller (SPD) damit vor dem Arbeitsgericht gescheitert. Auch gegen die jetzige Kündigung hat der Rechtsextremist Widerspruch angekündigt. Schließlich hat er einen erfahrenen Rechtsanwalt an seiner Seite: den Hamburger Jürgen Rieger, auch er ein seit Jahren einschlägig bekannter deutscher Friedens- und Freiheitskämpfer.


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