Der Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft und
stellvertretende FDP-Vorsitzende, Jürgen W. Möllemann, bezichtigt
Israel des »Staatsterrorismus«.
Wenn der Weltfrieden bedroht ist und der Kampf gegen den
Terrorismus geführt werden muss, darf Jürgen W. Möllemann nicht
fehlen. Kurz nach den Anschlägen von New York und Washington glänzte
er mit dem Vorschlag, Personen, die in den oberen Etagen von
Wolkenkratzern arbeiten oder wohnen, mit Rettungsfallschirmen
auszustatten. Auch den Job als Bundesaußenminister würde der
stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende nicht ausschlagen. So übt er
sich derzeit auf dem internationalen Parkett und bereist für zwei
Wochen den Nahen Osten: von Saudi-Arabien über die Vereinigten
Arabischen Emirate und den Iran bis nach Turkmenistan.
In der Region kennt sich Möllemann aus, ist er doch seit fast 20
Jahren Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (DAG). Er weiß,
was seine arabischen Gastgeber von ihm erwarten. Unmittelbar vor
seinem Abflug verkündete er, dass es für ihn noch einen anderen
Schurkenstaat außer Afghanistan gibt: Israel. Denn der jüdische
Staat betreibe »Staatsterrorismus«. Es könne doch nicht sein, »dass
die Regierung Scharon eine Tötungsliste mit den Namen hochrangiger
PLO-Repräsentanten zusammenstellen und diese Menschen auf offener
Straße liquidieren lässt«. Über die palästinensischen
Selbstmordattentäter verliert er indes kein Wort.
Stattdessen stellt Möllemann Forderungen an Israel. Es habe sich
auf seine Grenzen von 1967 zurückzuziehen und müsse die besetzten
Gebiete »frei machen für die Palästinenser«, die Golan-Höhen müssten
an Syrien zurückgegeben und Ost-Jerusalem solle zur Hauptstadt eines
Palästinenserstaates werden. Forderungen hat er auch an die
Bundesregierung. Sie dürfe nicht länger einseitig für Israel Partei
ergreifen. Deutschland habe stets das Existenzrecht Israels bekräftigt.
»Vom Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung in
einem eigenen Staat war jedoch nie die Rede«, meint Möllemann.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte die FDP umgehend
auf, sich von ihrem stellvertretenden Vorsitzenden zu distanzieren. Möllemann
habe eine »tendenziöse, einseitige und sachlich unrichtige Bewertung«
vorgenommen. Es sei nicht hinzunehmen, dass Israel das Recht
abgesprochen werde, sich gegen Gewaltakte von Selbstmordkommandos zu
wehren. Aus FDP-Kreisen verlautete zwar, Möllemanns Äußerungen
seien im Präsidium der Partei auf Unverständnis gestoßen, doch auf
eine öffentliche Erklärung verzichten die Liberalen. Aus gutem
Grund: Während der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel den Vorwurf
des »Staatsterrorismus« als »falsch und unberechtigt« bezeichnete,
sprangen andere Möllemann bei. So erklärte der
schleswig-holsteinische Landtagsfraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki:
»Abgesehen davon, dass Klaus Kinkel so gut wie noch nie die Position
der gesamten FDP beschrieben hat, halte ich seine Auffassung für
grundlegend falsch.«
Distanziert haben sich allerdings inzwischen drei der vier Vizepräsidenten
der DAG. Die Äußerungen Möllemanns seien seine persönliche Meinung
und »geben nicht die Meinung des Präsidiums der Deutsch-Arabischen
Gesellschaft wieder«, erklärten die Bundestagsabgeordneten Joachim Hörster
(CDU), Rudolf Kraus (CSU) und Christoph Moosbauer (SPD). Auch wenn die
aktuelle Politik Israels »sehr viel mehr als früher kritisch
hinterfragt und kommentiert werden« könne und müsse, sei »eine
verbale Entgleisung wie die Gleichstellung der israelischen Regierung
mit Terrorregimen« unangebracht und diskreditiere die Arbeit der DAG.
Sonderbar ist nur, dass ihnen erst jetzt Bedenken gegen die »verbale
Entgleisung« ihres Präsidenten kommen. Bereits Anfang August erklärte
Möllemann in einem Rundfunkinterview, die Regierung Sharon betreibe
»erklärten Staatsterrorismus, der durch nichts zu rechtfertigen ist«.
Einen Monat zuvor attackierte er den Zentralrat der Juden, der in
Zeitungsanzeigen gegen den Besuch des syrischen Diktators Bashir Al
Assad in Deutschland protestiert hatte. Assad, der kurz zuvor die
Israelis als schlimmere Rassisten als die Nazis bezeichnet hatte,
arbeite »bewusst mit Abziehbildern des Hasses, religiösen
Vorurteilen und antisemitischen Klischees«, kritisierte der
Zentralrat.
Möllemann erwiderte: »Was wäre aber wohl passiert, wenn ich als
Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft Ariel Sharon in
Anzeigen zur Begrüßung mit seiner Rolle bei den Massakern von Sabra
und Shatila, mit seinem die Gewalt bewusst anfachenden Besuch auf dem
Tempelberg konfrontiert hätte?! Herr Sharon gefährdet den
Nahost-Friedensprozess meines Erachtens gewiss mehr als Präsident
Assad.«
Nein, davon distanzierte sich der DAG-Vorstand nicht. Warum auch,
gehören antiisraelische »Entgleisungen« doch zum Repertoire der
DAG, die sich als Scharnier zwischen der deutschen Wirtschaft und den
arabischen Ländern versteht und »die Errichtung eines souveränen
palästinensischen Staates« als eines ihrer wesentlichen Vereinsziele
bezeichnet. So hetzt der seit über 30 Jahren amtierende Generalsekretär
des Lobbyverbandes, Harald M. Bock, immer wieder unwidersprochen gegen
Israel. Im DAG-Rundbrief vom 10. Januar 1999 protestierte Bock gegen
die Militäraktionen der USA und Großbritanniens gegen den Irak Ende
1998. Es sei nicht der Irak, sondern Israel, »das das Land dreier
Nachbarstaaten besetzt, ihnen lebenswichtiges Wasser abgräbt, als
Kleinstaat ABC-Waffenarsenale angelegt hat, abgeschlossene Verträge
nicht einhält, UN-Beschlüsse missachtet, dem Atomwaffensperrvertrag
nicht beitritt und in Kerkern vertragswidrig politische Gefangene
spezialbehandelt«.
Nach den Verhandlungen in Camp David schrieb er am 4. August 2000:
»Wie viel Selbstentäußerung will Amerika den Palästinensern noch
zumuten? M.W. wurde nicht einmal über Wiedergutmachungszahlungen der
Landnehmer an die Vertriebenen verhandelt. Vielleicht ein
interessantes neues Betätigungsfeld für versierte New Yorker Anwälte?«
Bock weiß, wie Israel beizukommen ist: »Nur die Nadelstiche der
Hisbollah« hätten bewirkt, dass sich Israel aus dem Südlibanon zurückgezogen
habe. »Welch andere Lehre soll man hieraus ziehen als die, dass
Israel nur der Gewalt weicht?«
Während wortreich die einzige Demokratie im Nahen Osten attackiert
wird, findet sich in DAG-Publikationen und -Stellungnahmen grundsätzlich
keine Kritik an der palästinensischen Autonomiebehörde oder an den
arabischen Staaten. Das wäre auch nicht opportun. So gehören dem 34köpfigen
DAG-Beirat nicht nur diverse deutsche Unternehmer und der notorische
Peter Scholl-Latour an. Kein arabisches Regime hat es sich nehmen
lassen, einen Vertreter zu entsenden. Der Botschafter Saudi-Arabiens
sitzt hier ebenso wie der Sekretär des Volksbüros der
Sozialistischen Libysch-Arabischen Volksdschamahirija. Auch Abdallah
Frangi darf als »Botschafter Palästinas in Bonn« nicht fehlen.
Besonders stolz ist die DAG auf ihren Ehrenpräsidenten. Sheikh
Abdulaziz Abdullah Al-Sulaiman, einen ehemaligen stellvertretenden
Minister für Erdöl und Finanzen im islamistisch-absolutistischen Königreich
Saudi-Arabien. Über die Menschenrechtssituation in dem Scharia-Staat,
der ersten Etappe seiner Nahost-Reise, verlor Möllemann selbstverständlich
kein Wort.
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