Heft 8-9/2001
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Menschen Machen Medien

*  Verpasste Chancen
Von Pascal Beucker

Aus für die Gratiszeitung "20 Minuten" in Köln.

Das Ende kam schnell, sehr schnell. Zur Mittagszeit des 10. Juli hatte Ekkehard Kuppel ins Crowne Plaza Hotel am Rudolfplatz geladen. Bei Mineralwasser erklärte der aus Zürich angereiste Vorstandsvorsitzende der "20 Min Europa Holding" der Führungscrew seiner Kölner Dependance: 20 Minuten Köln werde umgehend eingestellt. Um 17.00 Uhr informierten Kuppel und der Kölner 20 Minuten-Geschäftsführer Norbert Spindler die völlig überraschte Belegschaft vom unmittelbar bevorstehenden Ableben ihres Blattes. Am Tag darauf war alles vorbei: Zwei Jahre nach der ersten Nummer im Dezember 1999 erschien die letzte Ausgabe der Kostenloszeitung. Am Donnerstag und Freitag verabschiedeten sich auch die publizistischen "Abwehrmaßnahmen" der Verlage Axel Springer und M. DuMont Schauberg, extra und Kölner Morgen, von ihren Lesern. Seitdem ist die Domstadt wieder gratiszeitungsfrei. Der "Kölner Zeitungskrieg" ist beendet.

Bereits am 28. Juni hatten im Rahmen einer Vertriebsrunde beim Kölner Pressegrossisten Esser Gerüchte die Runde gemacht, 20 Minuten hätte nur noch wenige Tage vor sich. Unter den Mitarbeitern allerdings konnte sich da noch niemand vorstellen, dass das Ende so nah war. Immerhin waren in den vergangenen Wochen noch neue Räume angemietet, Anzeigen- und Marketingabteilung verstärkt, die Seitenzahl erhöht und nicht zuletzt das Layout der Zeitung von Grund auf erneuert worden. "Natürlich sahen wir das Damoklesschwert über uns schweben, aber ich hätte nie gedacht, dass sie den Laden so überstürzt dichtmachen würden", sagt Betriebsrätin Vera Kettenbach. Jetzt wird nur noch über den Sozialplan verhandelt.

Die Stimmung in der Belegschaft schwanke zwischen "Enttäuschung, Trauer und Existenzängsten", berichtet die Redakteurin, die vom Kölner Express zu 20 Minuten gewechselt war. Denn die Aussichten für die 49-köpfige 20 Minuten-Crew, deren Arbeitsverträge noch bis zum 30. September weiterlaufen, stehen zumindest in Köln schlecht: "Für die ist der Kölner Zeitungsmarkt zu!", weiß Kettenbach. Zu dem Frust kommt auch noch Zorn über eine verpasste Chance. "Wir sind wirklich nicht am Produkt gescheitert", ist sie überzeugt. "Unsere Wut richtet sich daher gegen die Situation in Köln, gegen die Konkurrenz, die statt mit journalistischen mit juristischen Mitteln gegen ein neues Produkt kämpfte, gegen die Werbewirtschaft, die sich aus Angst vor Neuem mit Anzeigen zurückgehalten hat."

Stimmung in der Belegschaft zwischen Wut und Enttäuschung

Doch das Scheitern hat noch einen anderen Grund: Ohne dass es die Öffentlichkeit bemerkte, vollzog sich hinter den komplizierten Holding-Kulissen von 20 Minuten ein dramatischer Wandel. Das norwegische Medienhaus Schibsted hält nur noch 42 Prozent der Aktien, zwei Prozent gehören dem Management, weitere knapp 28 Prozent halten jeweils die Actienbank-Group und die Risikokapitalgesellschaft Apax. Es wird gemunkelt, dass der Druck der eher medien-unerfahrenen Finanzmakler schließlich die hehren Zeitungsziele der Norweger brach. "Zeitung machen ist eben doch etwas anderes als eine Großschlachterei zu betreiben", kommentiert dies sarkastisch 20 Minuten-Gründungschefredakteur Klaus Kelle.

Schon die völlig chaotische Stornierung der bereits fest geplanten bundesweiten Expansion im April dieses Jahres soll auf das Apax-Konto gehen - der Anfang vom Ende. Eine Insellösung Köln könne mittel- und langfristig wirtschaftlich nicht erfolgreich sein, musste nun Kuppel eingestehen. Eine andere Perspektive sei jedoch nicht mehr in Sicht gewesen. Ein "großangelegtes deutschlandweites Projekt" hätte "einen Ansatz, der den Widerstand der etablierten Player überwindet", finden müssen. 20 Minuten habe ihn jedoch leider nicht gefunden. Aus diesem Grund habe es keinen Sinn mehr gemacht, weitere Ressourcen zu binden. "Wir konzentrieren uns jetzt mit aller Kraft auf die 20 Minuten-Projekte in anderen europäischen Ländern sowie die weitere Expansion der sehr erfolgreichen Schweizer Ausgabe von â20 Minuten"", so Kuppel.

Neuer Springer-Vorstoß in Hamburg

Während für Schibsted nur die Erfahrung bleibt, dass der deutsche Zeitungsmarkt komplizierter ist, als der skandinavische Konzern erwartet hatte, plant Springer eine interessante Auferstehung seiner extra-Zeitung: "Nach den Sommerferien werden wir extra auf seine Akzeptanz als Kaufzeitung für junge Zielgruppen im Regionalmarkt Hamburg testen", kündigte Bild am Sonntag-Chef Claus Strunz an.

Für voraussichtlich 30 Pfennig und erstellt von der gleichen überregionalen Redaktion um den Ex-MAX-Chefredakteur Jan-Eric Peters, die auch für die Kölner Ausgabe verantwortlich zeichnete, soll das Blatt dann die Hamburger Morgenpost vom Markt verdrängen.


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