12.06.2001

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taz

*   Behler meidet offenen Konflikt mit Clement
Von Pascal Beucker

Sie soll wütend gewesen sein. Doch die NRW-Forschungsministerin Behler hielt sich gestern mit Kritik am Genkurs des Ministerpräsidenten zurück.

Ihre Rede war mit Spannung erwartet worden: Wagt die nordrhein-westfälische Forschungsministerin Gabriele Behler in der SPD-Landtagsfraktionssitzung die Konfrontation mit ihrem Ministerpräsidenten?

Erbost sei sie über den Vorstoß Wolfgang Clements für die embryonale Stammzellenforschung gewesen, von dem sie nicht vorab informiert war. Zunächst habe sie gar zurücktreten wollen, raunte es über die Düsseldorfer Landtagsflure.

Doch Behler beugte sich der Parteidisziplin: kein Wort von Rücktritt, kein böses Wort gegen Clement. Die stellvertretende NRW-Vorsitzende betonte stattdessen in der gestrigen Sitzung, die Notwendigkeit eines "zeitlich begrenzten und klar überschaubaren Meinungsbildungsprozesses, auf dessen Grundlage dann die ethischen und rechtlichen Fragen hoffentlich auf der Basis eines breiten gesellschaftlichen Konsenses politisch entschieden und verantwortet werden können". Sie sei sich sicher, "dass wir hier zu einem guten Ergebnis kommen werden".

Damit reihte sich Behler in den Mainstream der Landtagssozialdemokraten ein. Es habe "keine grundsätzliche Kritik" an der Haltung Clements zur Forschung mit embryonalen Stammzellen gegeben, betonte SPD-Fraktionschef Edgar Moron nach der Sitzung. Im Gegenteil: Die meisten Redner hätten in der rund dreistündigen Debatte die "grundsätzliche Position" des Regierungschefs ausdrücklich begrüßt. Nur am Zeitpunkt der Initiative habe es vereinzelte kritische Stimmen gegeben. Er habe dazu jedoch eine andere Auffassung, sagte Moron. Schließlich habe Clement mit seinem Vorstoß nur eine sehr theoretische Debatte in eine konkrete forschungspolitische Entscheidung einmünden lassen. Eine abschließende Meinung zur Stammzellenforschung habe sich die Fraktion allerdings bisher noch nicht gebildet.

Keine Position bezog Moron zum Konflikt zwischen Clement und Franz Müntefering. In einem Brief an den SPD-Generalsekretär hatte sich der SPD-Bundesvize dem Vernehmen nach in scharfen Worten verbeten, von Müntefering als Angestellten der Partei öffentlich gemaßregelt zu werden. Müntefering hatte kritisiert, dass Clement sich in Israel für den Import embryonaler Stammzellen ausgesprochen hatte, während zugleich der Bundestag seine Grundsatzdebatte zur Gentechnik führte.

Ärger hat Clement auch weiterhin mit der katholischen Kirche. In einem Brandbrief haben jetzt die Bischöfe der fünf nordrhein-westfälischen Bistümer den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten aufgefordert, von seinem "Vorhaben abzurücken, den Transfer von embryonalen Stammzellen aus Israel nach Bonn ideell zu unterstützen und finanziell durch das Land Nordrhein-Westfalen fördern zu lassen".

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssten zunächst darauf hin geprüft werden, "ob deren Nutzung ethisch verantwortet werden kann". Die beabsichtigte Stammzellenforschung besorge sie daher tief, heißt es in dem Schreiben, das der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner auch im Namen seiner Kollegen aus Aachen, Essen, Münster und Paderborn unterzeichnet hat.

Clement will sich nun in den nächsten Tagen mit den Bischöfen und auch mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, treffen. Dass Clement dabei von seinem bisherigen Standpunkt abrücken wird, ist unwahrscheinlich. Schon vorab ließ er wissen, dass er sein Engagement für die Stammzellenforschung auch durch das christliche Gebot der Nächstenliebe gerechtfertigt sehe.


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