15.09.2001

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taz

*   Ruf nach Sicherheit
Von Pascal Beucker, Sebastian Sedlmayr und Severin Weiland

Angesichts der Gefahr von Terrorakten in Deutschland fordert Union mehr Sicherheitsmaßnahmen.

Nach den Anschlägen in den USA ist in der Bundesrepublik eine Diskussion über die innere Sicherheit entbrannt. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte gestern ein ganzes Maßnahmenpaket.

Vor Einbürgerungen solle eine Regelanfrage an den Verfassungsschutz durchgeführt werden, so Beckstein. Auch der Zugriff auf Daten von Asylbewerbern sei notwendig. "Wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass ausländische Extremisten deutsche Staatsbürger werden und Deutschland zum Ausgangsort ihrer Aktivitäten machen können", so Beckstein. Zudem solle die Bundeswehr vor amerikanischen, israelischen und jüdischen Einrichtungen patrouillieren.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte zu einer "großen Koalition in der inneren Sicherheit" auf. "Man muss aufhören, dass diejenigen beschimpft werden, die einen starken Staat wollen." Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) warnte gestern vor übereilten Reaktionen: "Man kann auch eine Stimmung erzeugen, die die Sicherheitslage verschlechtert." Es bestehe keine aktuelle Gefahr für das Land.

Er wiederholte seine Einschätzung, "dass sich die Grenzziehung zwischen polizeilichen und militärischen Mitteln verändern wird". So sei es möglich, dass künftig auch polizeiliche Zielsetzungen mit militärischen Mitteln erreicht werden könnten. Eine Grundgesetzänderung sei dafür nicht notwendig, da die Bundeswehr bereits heute im Rahmen der Amtshilfe tätig werden kann. Schily relativierte allerdings seine Äußerung: "Wir haben noch nicht die Situation erreicht, die unserer Notstandsgesetzgebung entspricht."

Schily sprach sich gegen eine Aussetzung des Schengener Abkommens und die Verstärkung von Grenzkontrollen aus, wie sie der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) vorgeschlagen hatte. Das sei "nicht zielführend", so Schily.

Sinnvoll seien hingegen verbesserte Möglichkeiten zur Identitätsfestelllung. "Ich meine, es würde niemanden schaden, wenn es nicht nur ein Foto gäbe im Pass, sondern auch einen Fingerabdruck", sagte der Innenminister. Es verletze seines Erachtens weder die Menschenwürde noch den Datenschutz und die Bewegungsfreiheit, wenn ein Staat darauf bestehe, dass eine Person identifizierbar sein muss. In einigen anderen Ländern der Europäischen Union, wie in Portugal, sei der Fingerabdruck im Pass bereits Praxis.

Grünen-Chefin Claudia Roth erteilte Becksteins Forderung nach einer Regelanfrage des Verfassungsschutzes bei Einbürgerungen eine deutliche Absage. Diese Forderung sei "völlig unzulässig und illegitim" und "Wasser auf die Mühlen von denjenigen, die jetzt versuchen, Spaltungen in die Gesellschaft zu bringen". Stattdessen müsse der Dialog der Kulturen gefördert werden, so die Grünen-Vorsitzende.

Auch Werner Schmidt, Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragen Joachim Jacob, hält ein solches Vorgehen für wenig sinnvoll. So habe es im Falle der in Hamburg festgenommenen Islamisten nach bisherigem Kenntnisstand keinen Anhaltspunkt gegeben. Die Männer seien ordentlich gemeldet gewesen und hätten studiert.

Gleichwohl glaubt auch Schmidt, dass die Anschläge Folgen für die Arbeit der Datenschützer haben werden. "Die Abwägungskriterien haben sich verändert", so Schmidt. Der Datenschutz sei nicht dazu da, Terroristen zu schützen.

Unterdessen hat die rot-grüne Bundesregierung den Zeitplan für ihren Gesetzentwurf zur Zuwanderung geändert. Die für den 26. September geplante Kabinettssitzung über den Entwurf ist zunächst verschoben. "Das bedeutet nicht aufgehoben, sondern aufgeschoben", erklärte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Die Bundesregierung halte aber an ihrem Entwurf fest.

"Wir wollen das Zuwanderungsgesetz vorantreiben wie geplant", betonte auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. Am kommenden Montag werde die rot-grüne Expertenrunde ihre Gespräche fortsetzen. CDU und CSU forderte Wiefelspütz erneut zur Zustimmung auf: "Wenn es eine große Koalition der Vernunft gibt", dann habe die Union in der Frage des Zuwanderergesetzes "die erste Gelegenheit, diese nicht nur in Worten, sondern in Taten zu zeigen", so der SPD-Innenexperte.

Zuvor hatte der bayerische Innenminister Beckstein dem Einwanderungsgesetz eine Absage erteilt: Nach den Anschlägen glaube er nicht, dass man "unbefangen darüber diskutieren kann, ob man Leute aus Irak, Leute aus der arabischen Welt zu uns leichter kommen lässt".

Wie Beckstein plädierte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Rupert Scholz (CDU), für den Einsatz der Bundeswehr im Inland. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Hans Christian Ströbele, hält diesen Vorstoß angesichts der juristischen Lage für "so daneben, dass es eines Rechtsprofessors unwürdig ist".

Die Forderung von Scholz entbehre bislang noch einer rechtlichen Grundlage. Der Bundestag müsste zuerst den so genannten Spannungsfall mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen.

Unterdessen haben mehrere Bürgerrechtsorganisationen sich gegen den Einsatz der Bundeswehr im Inland ausgesprochen. Tobias Bauer, Geschäftsführer der Humanistischen Union, warnte davor, "alle staatlichen Standards einzureißen". Bauer gab zu bedenken, dass bei einer Zusammenlegung von Militär, Geheimdienst und Polizei von der demokratischen Rechtsordnung "nichts mehr übrig bliebe, was zu schützen wäre".

Meldungen, der Kölner Verfassungsschutz wolle 25 bis 30 islamisch-extremistische Gruppierungen in der Domstadt überprüfen, wollte dessen Sprecher gestern nicht bestätigen. Der Verfassungsschutz werde zwar "sehr genau hinschauen", wenn es sich um militante Gruppen handele. Diese neigten dazu, sich hier friedlich zu verhalten und "nur im Ausland, etwa in Israel, Gewalt anzuwenden".


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