08.11.2001

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taz

*   Bin Laden über den Weg gelaufen
Von Pascal Beucker

Delegation des radikalislamischen "Kalifatstaats" hat Talibanführer 1996 in Afghanistan "zufällig" getroffen.

Pressekonferenz des Kölner "Kalifatstaats"Im Flur der Moschee in Köln-Nippes ist das Regal mit Schuhen prall gefüllt. Doch sie gehören nicht Gläubigen, sie gehören Journalisten. Für nicht wenige dürfte dies die erste Pressekonferenz auf Strümpfen gewesen sein. Hier, im Zentrum des "Kalifatstaats" von Metin Kaplan, gehen Vertreter der Organisation jetzt in die Offensive.

Falls der "Kalifatstaat" nach der geplanten Verschärfung des Vereinsgesetzes verboten werden sollte, werde der Verband dagegen "alle rechtlichen Mittel" ausschöpfen, kündigt Harun Aydin an, der zurzeit die Vereinsgeschäfte führen soll. Auch gegen eine Abschiebung ihres "Kalifen" Metin Kaplan würden sie sich wehren. Denn sie wäre "mit den Grundsätzen eines Rechtsstaats nicht vereinbar".

Im Schatten des Verbots ist Imageverbesserung angesagt. Sie seien keine staatsfeindlichen Extremisten, ist die Botschaft. "Wir sind friedlich", verkündet Aydin. Doch der Sprecher des Kaplan-Verbandes, Ismael Binyasar, räumt auch gewisse Differenzen zum deutschen Staat ein: "Prinzipiell ist der Islam nicht mit der Demokratie vereinbar." Trotzdem sei die islamische Gottesstaat, den seine Glaubensgemeinschaft anstrebt, noch "kein Monsterstaat". Und Terroristen seien sie schon gar nicht: "Die Muslime sind gegen jede Art von Terror, denn der Islam verbietet ihnen eine solche Tat."

So seien auch alle Beschuldigungen, man unterhalte Beziehungen zum Netzwerk al-Qaida, "haltlos". "Wir haben keinen Kontakt zu Bin Laden", betont Aydin. Doch es gab ihn, wie er einräumen muss. Ende 1996 habe sich eine Delegation des "Kalifatstaats" bei einem Besuch in Afghanistan "zufällig" mit Bin Laden getroffen. Dieses Treffen sei allerdings nicht im Auftrag des Kalifen vereinbart worden und somit "nicht amtlich". Auch ein Gegenbesuch habe nicht stattgefunden. Es stimme aber, dass ein Frankfurter Taliban-Vertreter eine "öffentliche Veranstaltung" des Verbandes besucht habe.

So gut es geht, versuchen Aydin und Binyasar Offenheit zu demonstrieren. Doch es fällt ihnen nicht immer leicht. Was sie von Bin Laden halten? Binyasar: "Wir gehen nicht davon aus, dass Ussama Bin Laden hinter den Anschlägen vom 11. September steht." Wie sich denn die Aussage, Terroristen könnten keine Muslime sein, mit der Mitgliedschaft des wegen mehrfachen versuchten Mordes verurteilten Ex-AIZ-Aktivisten Bernard Falk verträgt? Aydin: "Wir betreuen ihn nur als Glaubensbruder, seine Vergangenheit ist seine Angelegenheit." Was er einem Gemeindemitglied sagen würde, wenn dieses aufbrechen wolle, um an der Seite der Taliban zu kämpfen? Aydin: "Das ist seine Entscheidung."

Zum Verbandsvermögen wollen sie sich nicht äußern, dafür jedoch zu den aus ihrer Sicht Verantwortlichen für den Mord an dem "Gegenkalifen" Halil Ibrahim Sofu. Der türkische Geheimdienst wars. Wer sonst?

Nach eineinhalb Stunden schließt die ungewöhnliche Konferenz. Die Journalisten ziehen ihre Schuhe wieder an. Es gibt für jeden einen Döner. Harun Aydins Botschaft zum Abschied: "Das ist der beste Döner weit und breit."


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