07.12.2001

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*   Babyklappe in der Grauzone
Von Pascal Beucker

Muss Einrichtung den Namen der Mutter preisgeben? Über einen Rechtsstreit in Köln.

Wer ist die Frau, die im vergangenen Jahr noch vor der offiziellen Eröffnung des "Moses Baby Fensters" in Köln ihr Neugeborenes bei einer Mitarbeiterin des "Sozialdienstes katholischer Frauen" (SkF) abgab? Das will die Kölner Staatsanwaltschaft wissen - und gefährdet mit ihrem Wissensdrang nicht nur die Babyklappe in der Domstadt.

Auf den Plan gerufen habe die Staatsanwaltschaft wohl die Information, dass Sozialdienst-Beraterinnen mit der Mutter in Kontakt stünden, berichtet SkF-Geschäftsführerin Monika Kleine. "Es gehörte von Anfang an zu unserem Konzept, dass wir nicht nur das Leben von Kindern retten möchten, sondern ihnen auch den Weg für ein Leben mit ihrer Mutter ermöglichen", erklärt Kleine. Deswegen werde Frauen in Not nicht nur die Möglichkeit angeboten, ihr Kind anonym in der Babyklappe abzulegen, sondern auch der Weg zurück immer offen gehalten.

Das jedoch kann nun sowohl die Beraterinnen als auch die Mutter in Bedrängnis bringen. Durch die Kontaktaufnahme ist die Frau nicht mehr anonym - zumindest nicht für die Beraterinnen. Da sie gegen die unbekannte Frau wegen des Verdachts auf Personenstandsfälschung und Unterhaltspflichtverletzung ermittelt, fordert die Staatsanwaltschaft die Preisgabe ihres Namens - und bekommt dabei Unterstützung vom Kölner Landgericht.

Das Gericht entschied in einem jetzt bekannt gewordenen Beschluss, dass den Sozialarbeiterinnen kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe. Dieses Recht stünde ihnen nur im Rahmen ihrer Tätigkeit in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle zum Schwangerschaftskonflikt zu, gelte jedoch nicht für eine Beratung nach der Geburt des Kindes.

Doch die drei betroffenen Helferinnen, die beklagen, dass das Gericht ausschließlich nach Aktenlage entschieden und sie nicht einmal angehört habe, wollen standhaft bleiben. Je 300 Mark Ordnungsgeld haben ihre beiden Kolleginnen und sie deswegen bereits gezahlt.

Der Streit in Köln hat bundesweite Bedeutung. Es geht um ein grundsätzliches Problem: Die rund dreißig Babyklappen in der Bundesrepublik bewegen sich zurzeit noch in einer juristischen Grauzone. Nach der bestehenden Rechtslage stellt ihr Angebot eine Einladung zum Rechtsbruch dar. Die anonyme Baby-Abgabe verstößt gegen das Grundrecht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Außerdem entziehen sich Eltern dadurch ihrer gesetzlich verankerten möglichen Unterhaltspflicht.

So begründet denn auch die Kölner Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt die Aktivitäten ihrer Behörde mit dem Verweis auf das deutsche Legalitätsprinzip. Ihr bliebe gar nichts anderes übrig, als bei entsprechender Verdachtslage zu ermitteln. Auch Monika Kleine weiß, dass sie sich in einem rechtlichen Spannungsfeld bewegt, und hofft nun auf den Gesetzgeber. Der Bundestag berät gegenwärtig über eine Reform, die anonyme Geburten legalisiert.

Bis dahin setzt sie auf ein Stillhalten der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft signalisiert Gesprächsbereitschaft, noch vor Weihnachten will sie sich mit dem SkF zusammensetzen. Eine unbürokratische Lösung könnte es auch für den konkreten Fall geben. Falls die Beraterinnen glaubhaft versichern könnten, dass sich die Frau in einer Notlage befinde, würde das Verfahren eingestellt, stellte Oberstaatsanwältin Appenrodt gegenüber der taz in Aussicht.


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