01.02.2001

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taz

*   Abhören ist normal
Von Pascal Beucker

In NRW werden immer mehr Menschen abgehört. Mehr als 400 Fälle im Jahr 1999. Der Erfolg ist zweifelhaft. Grüne fordern Aufklärung.

Die kleine Mitteilung des Landesjustizministeriums sorgte für keine Aufregung: "Die Telefonüberwachung potentieller Straftäter werde in Nordrhein-Westfalen behutsam aber effektiv eingesetzt", ließ Justizminister Jochen Dieckmann (SPD) Ende vergangener Woche in Düsseldorf verkünden. Sie werde nur in 0,044 Prozent aller Ermittlungsverfahren eingesetzt und habe in 80 Prozent der Fälle einen hinreichenden Tatverdacht begründet oder Anhaltspunkte für weitere erfolgreiche Ermittlungen ergeben. Dass die Anzahl der Überwachungen zwischen 1998 und 1999 von 319 auf 428 angewachsen ist, ließe sich darauf zurückführen, dass Straftäter vermehrt verschiedene Handys und Chipkarten einsetzten, so der Minister.

Doch was auf den ersten Blick harmlos erscheint, sollte alle Alarmglocken erklingen lassen. Denn die von Dieckmann veröffentlichten Zahlen zeigen: Es gibt in NRW einen Anstieg von Telefonüberwachungen, der mit 34 Prozent weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. Hier stieg die Zahl im gleichen Zeitraum nur um 12 Prozent. Zudem ist die Begründung des Ministers für die Steigerung nicht schlüssig. Eine TÜ wird nicht nur für ein spezielles Telefon oder Handy beantragt, wie Dieckmann suggeriert. Wie viele Handys und Chipkarten ein überwachter potentieller Straftäter einsetzt, ist unerheblich: Sie werden alle abgehört. Auch die Angabe, in wie vielen Ermittlungsverfahren diese Maßnahme eingesetzt worden ist, sagt noch wenig aus. Interessanter wäre es, zu erfahren, wie viele Personen davon betroffen waren - und wie viele harmlose Unbeteiligte mit belauscht wurden, weil sie an der abgehörten Zelle telefonierten oder mit den falschen Leuten zusammen wohnten.

Für "gravierend und beunruhigend" hält denn auch Roland Appel von der Humanistischen Union die von Dieckmann vorgelegten Zahlen. Der frühere Landtagsabgeordnete weist daraufhin, dass der reale Umfang der Überwachungen weit höher liege, da eine einzige richterliche Anordnung gleich mehrere Telefone umfassen kann. Erhoben werde jedoch nur die Zahl der Anordnungen. Seine Forderung: "Der Einsatz von Telefonüberwachungen bedarf dringend der parlamentarischen Kontrolle." Schließlich ginge es hier um Eingriffe in das Grundrecht auf ein unverletztes Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, die nicht leichtfertig erfolgen dürften.

Die Landtagsgrünen fordern nun Aufklärung. Dass NRW so deutlich über dem Bundesdurchschnitt liege, sei doch "auffällig", findet Fraktionschefin Sylvia Löhrmann. „Wir erwarten, dass diese Zahlen im Datenschutzbericht bewertet werden.“ Dabei müsse offengelegt werden, wie viele unverdächtige Personen ins Raster der Fahnder geraten sind und in ihren Grundrechten eingeschränkt wurden.


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