15.03.2001

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taz

*   Brandanschlag auf Bewährung
Von Pascal Beucker

Wegen des Anschlages auf die Düsseldorfer Synagoge wurde Belal T. zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Ein zu mildes Urteil? Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Berufung eingelegt.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland reagierte mit Empörung: Hier sei ein „falsches Signal“ gesetzt worden. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt. Am Mittwoch vergangener Woche wurde der staatenlose Palästinenser Belal T. wegen seiner Beteiligung am Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge am 2. Oktober zu einer Jugendstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Ein Fehlurteil?

Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft, die eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung gefordert hatte, ging das Düsseldorfer Jugendschöffengericht bei der antisemitischen Tat nicht von einer versuchten schweren Brandstiftung, sondern von „gemeinschädlicher Sachbeschädigung“ und einem Verstoß gegen das Waffengesetz aus. Es sei, so Richter Michael Schönauer, „nicht mit letzter Sicherheit“ nachweisbar, dass Belal T. und der mitangeklagte 20-jährige Deutsche marokkanischer Herkunft Khalid Z., dessen Verfahren abgetrennt wurde, mit Vorsatz die Synagoge in Brand setzen wollten.

Der Anschlag sei eine „relative Spontantat“ gewesen, urteilte Schönauer. Motiv sei offenbar die Wut des Angeklagten auf die Politik Israels in den besetzten Gebieten gewesen. Es habe bei Belal T. eine „akute Emotionalisierung durch die Medien, insbesondere das arabische Fernsehen“ gegeben. In seiner Wohnung gefundene, mit der Hand geschriebene Zettel mit antisemitischen Inhalten und ein selbstgemaltes Hitler-Bild konnten nicht dem Angeklagten zugeordnet werden. Belal T. wohnt ohne eigenes Zimmer zusammen mit seinen Eltern und neun Geschwistern.

Zu dem milden Urteil gegen Belal T. hat nicht zuletzt beigetragen, dass das Gericht die Lebensumstände des 19-Jährigen mitberücksichtigte: Sie sind elendig. Seit 1987 lebt seine Familie in der Bundesrepublik. Doch bis heute ist sie hier nur „geduldet“, muss ihre Duldung inzwischen monatlich verlängern lassen. Ihre Asylanträge wurden abgelehnt.

Bevor Belal T. nach Deutschland floh, diente sein Vater als Offizier für die PLO. Durch den ganzen Nahen Osten hat es ihn getrieben: Er hat im Gaza-Streifen gelebt, in Ägypten, im Libanon, in Jordanien, im Irak. Er ging dahin, wohin ihn die „Palästinensische Befreiungsfront“ schickte – oder wohin er aufgrund der politischen Wirrnisse flüchten musste. Dann kam der Bruch mit dem Leben als Soldat Arafats, der Kampf war zu Ende.

Heute ist der Vater Sozialhilfeempfänger und seine Familie lebt im Elend: Zwölf Menschen in einer Vier-Zimmer-Wohnung ohne Bad. Er hätte sich nicht vorstellen können, dass es solche Verhältnisse in Düsseldorf geben könnte, sagte Jugendgerichtshelfer Aziz Ejjiar. Der Sozialarbeiter hatte Belal T. in der Untersuchungshaft betreut und konstatierte dem Jugendlichen, der erst im zweiten Anlauf den Sonderschulabschluss geschafft hatte, eine deutliche „Reifeverzögerung“.

In ihrem Plädoyer fragte Belal T.s Verteidigerin Ulrike Fröhlich, ob nicht der Versuch einer Versöhnung ein „richtiges Zeichen“ sei. Sie appellierte an die Düsseldorfer Jüdische Gemeinde, die ausgestreckte Hand Belal T.s nicht auszuschlagen. Denn ihr Mandat bereue seine Tat inständig.

„Ich bitte um Entschuldigung“, sagte Belal T. in seinem Schlusswort. „So eine Sache“ werde er „nie, nie wieder tun“. Und es schien, als hätte er begriffen, was er den jüdischen Menschen in Deutschland angetan hat.


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