29.03.2001

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taz

*   Revolutionäre Zellen aus Köln-Porz?
Von Pascal Beucker und Marcus Meier

In Köln steht die erste Fabrik der Welt, in der alkalische Brennstoffzellen industriell gefertigt werden. Kein Wunder: Die Technik wird von der NRW-Landesregierung offensiv gefördert. Nicholas M. Abson, Chef der Brennstoffzellenfirma ZeTek Power, will Weltmarktführer werden. Und in zwei Jahren schwarze Zahlen schreiben. BUND-Sprecher Klaus Traube dämpft den Optimismus: "Da wird viel geklappert."

Bei der Einweihungsfeier wollte Ernst Schwanhold selbstverständlich nicht fehlen. Schließlich hat in Köln-Porz die Zukunft Einzug gehalten - zumindest glaubt das der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister. Stolz setzte der Sozialdemokrat per Knopfdruck ein Karussell in Betrieb, dessen Elektromotor Strom aus einer Brennstoffzelle erhält.

Anfang März eröffnete in dem Kölner Stadtteil die europaweit größte Fabrik für alkalische Brennstoffzellen, gleichzeitig die weltweit erste mit vollautomatischer industrieller Massenproduktion. Warum seine Firma ausgerechnet in der Domstadt ihre Zelte aufgeschlagen hat? Für Nicholas M. Abson eine einfach zu beantwortende Frage: "Die Entscheidung für den Standort Köln-Porz ist uns angesichts der Unterstützung, die wir hier aus der Region und vom Land Nordrhein-Westfalen erhalten haben, nicht schwer gefallen", sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung der ZeTek Power GmbH.

NRW fördert Brennstoffzellen

In der Tat: NRW hat sich schwer ins Zeug gelegt. Seit 1989 wurden rund 30 Millionen Mark Fördermittel für 17 Brennstoffzellenprojekte bereitgestellt, die ein Gesamtvolumen von über 80 Millionen Mark haben. Im Rahmen der Landesinitiative Zukunftsenergien hat das Land im April 2000 das "Kompetenz-Netzwerk Brennstoffzelle NRW" ins Leben gerufen. Das Netzwerk zählt zur Zeit 90 Unternehmen und Institute, die sich mit verschiedenen Bereichen der Brennstoffzellentechnik befassen. Darüber hinaus verfügt NRW mit dem Forschungszentrum Jülich und der Universität-Gesamthochschule Duisburg auch noch über zwei führende Zentren der Brennstoffzellenforschung. Für Wirtschaftsminister Schwanhold sind die Zellen "ein Meilenstein für die umweltgerechte Versorgung mit Strom und Wärme".

Und nun steht auch noch die ZeTek-Fabrik in NRW. "Die Energie der Zukunft ist die Energie von heute", philosophiert ZeTek-Gründer Abson über den seiner Ansicht nach epochalen Charakter der Werkseröffnung. Er glaubt an den "Beginn einer elektrischen Revolution", die in Köln beginne. Auf rund 15 Millionen Mark beziffert der Mittfünfziger die Investitionen für das Werk. Die Technologietransfer- und Innovationszentrum Region Bonn GmbH & Co. KG (TTIB) beteiligte sich an dem Projekt mit 1,8 Millionen Mark.

Die Kölner Zellen sollen in LKW, kleinen Schiffen, Mobiltelefonen, Laptops und Hitzegeneratoren eingesetzt werden können. Laut einer Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag könnten Brennstoffzellen zunächst herkömmliche Batterien und Akkus aus kleinen Elektrogeräten verdrängen.

"Zero Emissions"?

Alkalische Brennstoffzellen erzeugen Strom durch die katalytische Umwandlung von Wasserstoff und Sauerstoff. Als "Abgas" entsteht nur Wasserdampf. Nicht umsonst steht das Kürzel "ZeTek" denn auch für "zero emissions technology". Nicht umsonst lässt sich Konzernchef Abson von seiner PR-Abteilung gerne als "Umweltschützer mit Unternehmergeist" darstellen.

Doch Klaus Traube, energiepolitischer Sprecher des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), mag da nicht ganz folgen. "Zu den regenerativen Energien können die Brennstoffzellen nicht gezählt werden", sagt der emeritierte Professor für Energiewirtschaft. Und von "zero emissions" könne keine Rede sein: "Die Emissionen entstehen bei der Herstellung des Wasserstoffs, wo beispielsweise Erdgas eingesetzt wird." Auch das Marktpotenzial für die Energieform mag der Sozialdemokrat Traube derzeit nicht erkennen: "Da wird viel geklappert, das ist Spintisiererei." Die technische Entwicklung sei noch nicht soweit, zudem sei es fraglich, ob eine solche Stromerzeugung tatsächlich wirtschaftlich wäre. Traube wundert sich, "wo Abson den Mut hernimmt, so viel produzieren zu wollen".

Und doch: Das Köln-Porzer Werk soll in diesem Jahr mindestens 1.000 Einheiten produzieren, die über eine Leistung von jeweils fünf Kilowatt verfügen. Das langfristige Ziel sei, so Abson, in fünf Jahren Zellen mit einer Gesamtleistung von 500 Megawatt herzustellen. Das entspräche der Leistung eines Kraftwerks. Er glaubt an ein lukratives Geschäft, denn nach seiner Überzeugung werden die Kosten für Energie aus Brennstoffzellen innerhalb von zwei bis drei Jahren unter denen herkömmlicher Kraftwerke liegen. Zunächst werden 70 Mitarbeiter in Köln-Porz beschäftigt sein. Die Produktion soll allerdings frühestens im April anlaufen. Nach Angaben des Kölner Geschäftsführers von ZeTek, Claude Rivoire, fehlt noch eine amtliche Genehmigung.

Innerhalb der kommenden drei Jahre soll die Belegschaft auf 500 Mitarbeiter anwachsen. Doch ZeTek schweigt sich derzeit noch über seine Kunden aus. Sicher ist nur, dass die Zellen nicht für Endverbraucher, sondern für Systemproduzenten wie Auto- und Heizungshersteller gedacht sind. Erste Anschauungsobjekte gibt es bereits. So fährt auf der Elbe in Dresden ein kleines Ausflugsboot, das mit Brennstoffzellen von ZeTek angetrieben wird.

Absons Ambitionen

ZeTek-Chef Abson ist, zurückhaltend formuliert, sehr ambitioniert. Vor zwei Jahren hatte der ehemalige Wissenschaftsjournalist das angloamerikanische High Tech-Unternehmen ZeTek Power gegründet. Inzwischen sind Tochterunternehmen in Deutschland, England, den USA, Belgien, Frankreich, Russland und den Niederlanden entstanden - darunter Zevco, die Zero Emission Vehicle Company, die sich auf Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb spezialisiert hat. Im nächsten Jahr will ZeTek Power zudem noch zwei weitere Produktionsstätten in den USA eröffnen. "Das könnte ZeTek zum größten Brennstoffzellen-Produzenten der Welt machen", analysiert das Wall Street Journal. Neben dem Möbelhersteller IKEA zählen auch die Brokerhäuser Merrill Lynch und Lehmann Brothers zu den 665 Anteilseignern des Unternehmens. Noch in diesem Jahr, so hat Abson angekündigt, will er an die Börse gehen. Doch bisher rechnet sich ZeTek noch nicht: Nach eigenen Angaben hat es im vergangenen Jahr keine nennenswerten Umsätze verzeichnet - und es wird in diesem Jahr seinen Verlust auf 19,6 Millionen Euro verdreifachen. Erst ab 2003 hofft ZeTek auf Gewinne.

Run auf den Markt

Nicht nur ZeTek forciert derzeit die Weiterentwicklung der Brennstoffzellen. So will sich beispielsweise auch der Essener Stromkonzern RWE als Technologieführer in diesem Bereich positionieren. Binnen der nächsten fünf Jahre will RWE in Kooperation mit einer Siemens-Tochter einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag in die Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie stecken.

Der Schweizer Mischkonzern Sulzer hat unlängst eine Vereinbarung mit den beiden deutschen Stromanbietern Energieversorgung Weser-Ems AG (EWE) sowie Energie Baden-Württemberg (EnBW) über den Verkauf von insgesamt 200 Brennstoffzellensystemen abgeschlossen. Mit jeder Zelle könne Wärme und Strom für ein Einfamilienhaus produziert werden. In den kommenden beiden Jahren will Sulzer mehrere hundert weitere Systeme in der Bundesrepublik, in Österreich und der Schweiz verkaufen. EnBW hatte zudem im letzten Oktober in Marbach ein Brennstoffzellenkraftwerk in Betrieb genommen. Es sei die europaweit größte Demonstrationsanlage, verlautbarte das Unternehmen.


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