05.04.2001

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*   20 Minuten dauern länger
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Konkurrenz schadenfroh: Gratiszeitung verschiebt Ausweitung auf andere Städte

Mit sichtlicher Genugtuung haben die Verlage M. DuMont Schauberg (MDS) und Axel Springer (ASV) auf die Ankündigung des Schibsted Verlages reagiert, nicht mehr in diesem Jahr mit seiner Gratiszeitung 20 Minuten in andere deutsche Großstädte zu expandieren.

Offenbar sei Schibsted der Wettbewerb auf dem Kölner Zeitungsmarkt nicht bekommen, kommentierte MDS-Sprecher Hasso Graf Bülow von Dennewitz schadenfroh. Er bewertete die Verschiebung der Expansionspläne als einen „ersten Schritt in einen Rückzug vom Kölner Markt“. ASV-Sprecherin Edda Fels sprach von einer „erfreulichen Zwischenbilanz für unsere entschiedene Vorgehensweise“. Beide Verlage bekämpfen 20 Minuten in Köln sowohl mit eigenen „Abwehrblättern“ – Kölner Morgen und extra – als auch durch Klagen, weil sie die kostenlose Abgabe von Zeitungen grundsätzlich für wettbewerbswidrig halten.

Bisher rechnete die Branche damit, dass Schibsted schon im kommenden Monat sein Gratiszeitungskonzept in andere deutsche Großstädte exportieren werde. Doch die Norweger haben wohl die schwierigen Marktbedingungen in der Bundesrepublik unterschätzt. Es habe eine „irrationale und emotionale“ Gegenwehr der alteingesessenen Zeitungsverleger gegeben, so Ekkehard Kuppel, Vorstandsvorsitzender der Züricher 20 Min Holding AG, gegenüber der taz.

Nun will Schibsted erst im nächsten Jahr an den bundesweiten Start gehen. „Wir wollen am Tag der Entscheidung sicher sein, dass wir die Front brechen können“, erläuterte Kuppel. Daher solle nun erstmal eine Projektgruppe Vorschläge entwickeln, „wie man den deutschen Markt knacken kann, ohne Geld aus dem Fenster zu werfen“. Kein Wunder, kostet doch schon alleine das Kölner Experiment Unsummen. Branchenkenner schätzen, dass 20 Minuten Köln 100.000 Mark Verlust pro Ausgabe einfährt.

Entscheidend dazu bei trägt, dass ASV und MDS den Anzeigenmarkt verstopfen. Vor Gerichten klagt Schibsted zur Zeit gegen angebliche Dumping-Preise der Konkurrenten extra und Kölner Morgen. Die beiden Gratisblätter ködern Anzeigenkunden mit besonders attraktiven Rabatten, die bei einer Anzeigen-Kombination mit den Boulevardzeitungen Bild (Springer) und Express (DuMont) gewährt werden. Ob Schibsted seine bundesweiten Aktivitäten künftig überwiegend von Berlin oder von Köln aus koordinieren werde, sei laut Kuppel noch offen.

In beiden Städten werde derzeit an einem bundesweiten Konzept gearbeitet. Auf jeden Fall jedoch wird 20 Minuten Köln, der Prototyp für eine spätere Deutschlandausgabe, komplett umgestaltet. In drei Wochen steht der Relaunch an. Noch entschiedener als bisher soll das Blatt auf jugendlich getrimmt werden. Die Zeitung werde künftig eine Art „gedrucktes Internet-Portal“ darstellen, kündigte der 38-jährige Schweizer an.


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