12.07.2001

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*   KOMMENTAR: Vom Verlust einer chancenreichen Zumutung
Von Pascal Beucker

Ja, 20 Minuten war journalistisch und intellektuell eine Zumutung. Besonders seit dem Relaunch vom April war die Zeitung nur noch schwerlich als Zeitung erkennbar und Jugendlifestyle ersetzte Information. So ist es nur zu verständlich, wenn sich bei nicht wenigen die Trauer über das Ableben des Schibsted-Blattes in Grenzen halten dürfte. Auch diejenigen, die sich über die täglichen Altpapierberge an den U-Bahnhaltestellen geärgert haben, können frohlocken: Mit 20 Minuten werden auch die anderen beiden Kostenlosblätter verschwinden. Doch zum Jubeln besteht dennoch kein Anlass. Denn trotz allem haben die kostenlosen Tageszeitungen den Zeitungsmarkt in der Domstadt bereichert.

Vor dem "Einfall" Schibsteds Ende 1999 sah es hier aus wie in vielen anderen Städten - ein Verlag hatte eine monopolartige Stellung. Die Leser konnten nur zwischen zwei Abonnements- und einer Boulevardzeitung aus dem M. DuMont Schauberg Verlag und der Bild-Zeitung wählen. Ein Problem von Monopolen: Sie sind zwar bequem, machen aber träge und selbstzufrieden. Kreatives Denken und Innovationen haben es schwer, wenn Konkurrenz fehlt. So hat 20 Minuten auch in den Redaktionsfluren der DuMont-Blätter für frischen Wind gesorgt. Außerdem: Das "Abwehrprodukt" des Verlages war nicht das schlechteste der drei Gratisblätter - im Gegenteil.

Eins haben die Kostenloszeitungen in der kurzen, nicht mal zweijährigen Zeit ihrer Existenz gezeigt: Sie erreichten eine Leserschaft, die von Zeitungen wie dem Kölner Stadt-Anzeiger (oder auch der taz) bisher nicht erreicht werden konnte. Leseranalysen in Köln bestätigten: Gerade Jugendliche, die bisher keine Tageszeitung lasen, griffen zu den kostenlosen Angeboten. Darin liegt eine einmalige Chance.

Eine Chance auch und gerade ausgerechnet für Kölns Platzhirsch DuMont: Ein Gratisblatt wie der Kölner Morgen kann eine sinnvolle Ergänzung sein, indem es bisherige Nicht-Leser an das Zeitungslesen und damit an die anderen DuMont-Printprodukte heranführt. So könnte Kölns Ehrenbürger seine marktbeherrschende Stellung weiter ausbauen. Aber für Anti-Monopolisten besteht kein Grund zur Besorgnis: Alfred Neven DuMont wird die Chance nicht nutzen.


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