12.07.2001

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taz

*   Opfer werden zu Tätern
Von Pascal Beucker und Frank Gerstenberg

Neue Vorwürfe gegen Staatsanwaltschaft, die das Opfer eines Naziüberfalls in Düsseldorf zur Preisgabe eines Mitopfers zwingen will. Entscheidung am 18. Juli.

Der 18. Juli könnte unangenehm für Christian "Happus" Happ werden. An diesem Tag soll der 27-jährige Sprecher des Düsseldorfer AStA vor Gericht gezwungen werden, den Namen eines Beteiligten an einem Überfall von Nazi-Skinheads am 13. Juni vor der Studentenkneipe „Tigges" zu nennen. Staatsanwalt Johannes Mocken droht: „Wenn er dann immer noch bei seiner Auskunftsverweigerung bleibt, werden wir über Zwangsmaßnahmen bis hin zur Beugehaft beraten." Die Entschlossenheit hat einen Schönheitsfehler: Happ ist kein Nazi, sondern eines der Opfer des rechten Überfalls - ebenso wie derjenige, dessen Namen er nicht nennen will. Happ bleibt hart: „Dann sollen die mich halt in Beugehaft nehmen, ich gebe den Namen nicht preis“.

Das hat gute Gründe: Denn bei dem Unbekannten handelt es sich um einen unter Pseudonym arbeitenden Journalisten, der über die Neonazi-Szene in der Landeshauptstadt berichtet. Er will seine Identität nicht preisgeben, da er Racheakte aus der rechten Szene befürchtet. Nach Angaben von Rechtsanwältin Irene Wollenberg habe ihm auch sein Arbeitgeber bescheinigt, dass er akut gefährdet sein könnte. Sie hat der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass ihr Mandant zu einer „Quellenvernehmung“ zur Verfügung stehe. „Er ist bereit, auszusagen“. Voraussetzung sei allerdings, dass er geschützt wird und sein Name anonym bleibt.

Darauf will sich die Staatsanwaltschaft nicht einlassen. Es gebe „keine Basis für eine Vertraulichkeitszusage", da eine „konkrete Bedrohung von Leib und Leben nicht erkennbar ist", so Staatsanwalt Mocken. Dabei lässt bereits der rechte Angriff in der Nacht zu Fronleichnam erhebliche Zweifel an dieser Sichtweise aufkommen. Nach einem Handgemenge stach der Haupttäter Sven R., ein stadtbekannter Nazi-Skin, zu: Happ trafen zwei Messerstiche in den Oberarm und einer in die Schulter, zwei weitere Opfer wurden durch Stiche in den Rücken zum Teil schwer verletzt. Anschließend veröffentlichten die „Nationalisten im Düsseldorfer Süden" und auch der „Nationale Widerstand Ruhr" das Konterfei von Happ einschließlich einer Personenbeschreibung im Internet. Keine konkrete Bedrohung von Leib und Leben?

Bernd Wagner, Leiter des Berliner Rechtsextremen-Aussteiger-Projekts „Exit", warnt vor einer Unterschätzung der Gefahr. Er bezweifelt, ob sich die Staatsanwaltschaft hinreichend mit dem Fall auseinandergesetzt hat, etwa durch Einschaltung des Verfassungsschutzes. Schließlich handele es sich um eine Auseinandersetzung zwischen verfeindeten politischen Gruppen „und nicht um einen Überfall auf Bäckerlehrlinge". Daher dürfte das Gefährdungspotenzial auf keinen Fall „aus dem Bauch heraus bewertet werden". Auch die Nazi-Aussteigerin und „Exit“-Mitarbeiterin Gunda Hernandez rät eindringlich, die rechte Gewaltbereitschaft nicht zu unterschätzen: „Die Jungs kennen kein Pardon."

Dass die Ermittler nicht die "Quellenvernehmung" zulassen wollen, bei der ein Polizeibeamter die Aussage vor Gericht verliest, dafür hat der Münchner Strafrechtsprofessor Klaus Volk Verständnis: „Zeugen vom Hörensagen“ fasse der Bundesgerichtshof mit „sehr spitzen Fingern" an. Trotzdem kritisiert er das Verhalten der Staatsanwaltschaft. Die Strafprozessordnung biete „zahlreiche Möglichkeiten" der Anonymisierung und des Schutzes im Ermittlungsverfahren. Die unnachgiebige Haltung der Staatsanwaltschaft verwundert ihn: „Wenn die Staatsanwaltschaft nicht weiß, um wen es sich handelt, kann sie auch nicht sagen, ob er gefährdet ist oder nicht."


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