09.08.2001

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taz

*   Heimathirsche machen mobil
Von Pascal Beucker, Nina Magoley und Frank Überall

Mit einer "Großdemonstration" wollen Bürgervereine in Köln-Porz gegen die Unterbringung von Flüchtlingen vor ihrer Haustür protestieren. Die Stadtverwaltung will mit einem "Beratungs- und Hilfsangebot" die Unerwünschten reduzieren - per "Dringlichkeitsentscheidung".

Mit einer "Großdemonstration" noch in diesem Monat will die "Bürger-KaFOR Köln" - die "Kritiker und Gegner der Forensischen Klinik Köln-P-Westhoven" - gegen die  Unterbringung von Flüchtlingen in der ehemaligen belgischen Brasseur-Kaserne vorgehen. Für den heutigen Donnerstag hat sie diverse Bürgervereine, die Kirchen, Parteien und auch das Personalstammamt der Bundeswehr ins Schützenheim Ensen-Westhoven eingeladen, um die Protestaktion vorzubereiten.

Während der Kölner Flüchtlingsrat, Rom e.V., Grüne und PDS die geplante Flüchtlingskasernierung in der Brasseur-Kaserne aus humanitären Gründen ablehnen (taz köln berichtete), befürchtet die KaFOR, dass Porz zur "Kölner Bronx" werden könnte. Nachdem die Landesregierung in dem Stadtteil bereits eine forensische Klinik ansiedeln will, stellt die Unterbringung von 600 Flüchtlingen vorwiegend aus Ex-Jugoslawien - viele von ihnen Roma - nach Ansicht der Initiative eine "unzumutbare zusätzliche Belastung" dar. Schon jetzt sei "die Integrationsfähigkeit der betroffenen Bevölkerung bereits vollkommen ausgeschöpft". KaFOR-Sprecher Hans Burgwinkel: "Das Maß ist voll - endgültig!"

Möglicherweise bleibt Burgwinkel und den Porzer Eingeborenen die unangenehme Konfrontation mit dem Flüchtlingselend doch noch erspart: Das Staatliche Umweltamt hat Einspruch gegen die städtischen Pläne erhoben, weil die Brasseur-Kaserne in einem Wasserschutzgebiet liegt. Die belgische Armee hatte sie nur mit einer Ausnahmegenehmigung nutzen dürfen. Das Umweltamt der Stadt musste inzwischen einräumen, dass im Falle einer Flüchtlingsunterbringung zumindest ein neuer Abwasserkanal gebaut werden müsse. Das allerdings wiederum würde Kosten in Millionenhöhe verursachen.

Unterdessen präsentierte Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) Anfang der Woche überraschend eine Dringlichkeitsentscheidung, die einschneidende Folgen für die Behandlung illegal eingereister Ausländer in Köln haben wird: Bereits zum 1. Oktober soll das sogenannte "Beratungs- und Hilfsangebot für unerlaubt eingereiste Personen" in Kraft treten. Auch "im Hinblick auf die Probleme, die in der Umgebung der Unterbringungsheime z.Zt. eine starke Polarisation erzeugen", müsse umgehend eine neue "Zentrale Beratungs- und Hilfsstelle" eingerichtet werden, heißt es in der Dringlichkeitsentscheidung. Es geht darum, in Gesprächen illegal eingereisten Flüchtlingen die Möglichkeit eines Asylverfahrens darzulegen. Das bisherige Fehlen dieser Beratung habe "zu Ordnungsstörungen" und "Straftaten" im Bereich der Flüchtlingsheime geführt. Mit dieser Argumentation hatte die Stadt schon die geplante Flüchtlingskasernenhaltung in Porz begründet.

Für PDS-Ratsherr Jörg Detjen ist die Dringlichkeitsentscheidung "ein Unding": Hier sollen Flüchtlinge auf dem schnellsten Wege in ein Asylverfahren und damit häufig in eine ausweglose Situation gedrängt werden, wirft er der Stadtverwaltung vor. Ihr gehe es "nur darum, Geld zu sparen, auf Kosten der Rechte von Menschen, die vor dem Krieg fliehen". Schramma missbrauche die Ratsferien dazu, ein umstrittenes Thema "durchzuboxen", kritisiert Detjen und erinnert daran, dass noch im Herbst vergangenen Jahres eine vom damaligen Stadtdirektor Bernhard Wimmer eingebrachte Verwaltungsvorlage über ein neues Flüchtlings- und Beratungskonzept aus guten Gründen mit großer Mehrheit vom Stadtrat verworfen worden sei.

Doch die Mehrheiten haben sich geändert: Neben CDU und FDP sind jetzt auch überraschend die Grünen für das überarbeitete Konzept. Denn nach der neuen Vorlage soll der Kölner Flüchtlingsrat die Dolmetscherstelle der Beratung betreuen. Budget: 120.000 Mark pro Jahr. Das, so hoffen die Befürworter, garantiere den Einfluss freier Trägervereine und nehme den städtischen Beamten die alleinige Entscheidungsmacht. "Da muss man natürlich im Auge behalten, dass das nicht unterlaufen wird", räumt die Grünen-Fraktionschefin Barbara Moritz ein. Entscheidend sei die geplante Struktur der Beratung, erklärt  Thomas Zitzmann, Sprecher des Kölner Flüchtlingsrats. "Sie muss so kompetent sein, dass ein Flüchtling anschliessend selbst entscheiden kann, ob er Asyl beantragen will." Wäre das tatsächlich möglich, würde er das neue Beratungskonzept begrüßen.

Das sieht der Vorsitzende des Rom e.V, Kurt Holl, anders. Politiker und Medien hätten in den vergangenen Wochen eine regelrechte Stimmungskampagne gegen angeblich kriminelle Roma-Familien betrieben. Anstatt Flüchtlingen bei der Integration zu helfen, werde jetzt die aufgeheizte Situation schamlos ausgenutzt, um sie los zu werden. "Durch das geplante Beratungskonzept sollen die Leute ins Asylverfahren gedrängt werden, um sie dann an andere Städte abschieben zu können", kritisierte Holl gegenüber der taz.


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