04.10.2001

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taz

*   Willkommen in Köln-Kalk
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Flüchtlinge sollen auf dem Gelände der ehemaligen Chemischen Fabrik Kalk konzentriert werden. Stadt will für Flüchtlingsabschreckung Millionen springen lassen. SPD, Grüne und PDS protestieren.

Das Gelände der ehemaligen Chemischen Fabrik Kalk (CFK): Bauarbeiter durften auf dem Grundstück mit dem verseuchten Boden nicht in Containern schlafen, denn das hätte ihrer Gesundheit empfindlich schaden können. Nach Ansicht von Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) ist das genau der richtige Platz für in Köln Unerwünschte. Schramma will hier 300 „unerlaubt eingereiste Personen“ einquartieren lassen. Die Flüchtlinge, überwiegend Roma, sind bisher in der Kaserne Passendale in Porz-Westhoven untergebracht. Nun soll auf dem CFK-Gelände nach dem Willen der Stadtverwaltung für sie – und perspektivisch 200 weitere Flüchtlinge – ein „Containerdorf“ entstehen.

Der Beschluss war Schrammas letzte Amtshandlung, bevor er am vergangenen Freitag in Urlaub ging. Um 12.45 Uhr ließ er die sogenannte Dringlichkeitsentscheidung über sein Fax verbreiten. Damit kann der OB vorläufig die politischen Gremien umgehen.

Doch Schramma brauchte dafür die Unterstützung mindestens eines Ratsmitgliedes. Seine Parteifreunde befanden sich auf einem Betriebsausflug in Bremen. So verhalf FDP-Fraktionschef Ralph Sterck der Dringlichkeitsentscheidung zur Gültigkeit.

„Eine Verschleppung der Entscheidung wäre aus gesundheitlichen Gründen verantwortungslos gewesen“, erklärte Sterck. Wegen Krankheitserregern im Grundwasser müsse die Kaserne Passendale unverzüglich geräumt werden. Die Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen und Zelten in der kalten Jahreszeit sei über einen längeren Zeitraum menschenunwürdig.

Über die Gesundheitsgefährdung auf dem CFK-Gelände, der die Flüchtlinge nach der Umsiedlung ausgesetzt sein könnten, äußerte er sich nicht. Am Montag gestand Stadtdirektor Herbert Winkelhog auf der Sitzung des Ratshauptausschusses ein, dass auf dem ehemaligen Fabrikgelände etwa zehn Zentimeter Boden zusätzlich angehäuft werden müssen, um jegliche Gesundheitsgefahr für die Flüchtlinge durch Altlasten auszuschließen. Auch Winkelhog betonte, bei der Umsiedlung der Flüchtlinge sei Eile geboten, weil die Menschen nicht länger auf dem Kasernengelände in Porz-Westhoven bleiben könnten. Die Staatsanwaltschaft habe wegen der möglichen Gefährdung des Grundwassers bereits Vorermittlungen gegen die Stadt aufgenommen.

Die Grünen lehnen das Vorhaben als „Abschreckung pur“ ab. CDU und FDP wollten Köln für Flüchtlinge auf Biegen und Brechen unattraktiv machen.  Ein Großlager, wie das geplante in Kalk, gleiche „der Internierung von Flüchtlingen, die alle Bemühungen auf eine Integration erstickt“, warf Ratsfrau Ciler Firtina der Ratsmehrheit vor. Die geplante Massenunterkunft sei „aus humanitären Gründen nicht zu akzeptieren", so  die  grüne Sprecherin für Migrations- und Flüchtlingsfragen.

Schrammas Dringlichkeitsentscheidung sei „ein weiterer Beleg für die falsche Politik des Oberbürgermeisters und der CDU“, kritisierte Dörte Gerstenberg, die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. „Es ist unfassbar, dass 400 Flüchtlinge, darunter viele Kinder, auf einem verseuchten Gelände untergebracht werden sollen“, so Gerstenberg.

Der Kalker SPD-Vorsitzende Franjo Baumeister wundert sich zudem, dass in seinem Stadtteil die „neben einer Hotelunterbringung wahrscheinlich teuerste Unterbringungsart“ realisiert werden soll. Tatsächlich wird die Errichtung des „Containerdorfs“ alleine im ersten halben Jahr 2,6 Millionen Mark kosten. Jeder weitere Monat schlägt mit über 423.000 Mark zu Buche. Baumeister fürchtet: „Hier wird sich wieder jemand an der Notlage von Menschen eine goldene Nase verdienen.“

SPD, Grüne und auch die PDS treten für eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge ein. PDS-Ratsfrau Sengül Senol verwies auf die Städte Oberhausen und Berlin, die mit der Unterbringung von Flüchtlingen in Privatwohnungen Millionen sparen. Auch Leverkusen arbeite an einem solchen Konzept. Was die Stadt Köln hingegen mache, sei „ein Skandal“.

„Anstatt Containerlager zu finanzieren, sollte die Stadt endlich dazu übergehen, ein auch viel kostengünstigeres dezentrales Unterbringungskonzept, zu entwickeln“, forderte Claus-Ulrich  Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. Der Flüchtlingsrat begrüße zwar die rasche Umverlegung der gesundheitsgefährdeten Flüchtlinge aus der Passendale-Kaserne, lehne aber ihre Unterbringung in zentrale Lager und Sammelverpflegung „aus humanitären Gründen kategorisch ab“.


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