24.04.2002

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Jungle World

*   Geben und nehmen
Von Pascal Beucker

Nach den Parteispendenaffären in Nordrhein-Westfalen ändert der Bundestag das Parteiengesetz. Ob es hilft?

Nun soll alles besser werden. In der vorigen Woche verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen außer der PDS ein neues Parteiengesetz, um die »innere Reinigungsfähigkeit« der Politik zu demonstrieren.

Künftig droht bei Abgabe eines falschen Rechenschaftsberichts eine Haftstrafe von drei Jahren. Barspenden an Parteien sind nur noch bis zu einer Höhe von 1 000 Euro erlaubt, ab 10 000 Euro müssen Name und Adresse des Spenders genannt werden, und Beträge über 50 000 Euro müssen dem Bundestagspräsidenten gemeldet werden, der sie unverzüglich zu veröffentlichen hat. Einzig der PDS gingen die neuen Regelungen nicht weit genug.

Mit dem Gesetz treten die Parteien die Flucht nach vorn an. Denn schon ein Blick auf die jüngsten Vorgänge in Nordrhein-Westfalen zeigt, wie sehr die Verfilzung von Wirtschaft und Politik bereits vorangeschritten ist. Etwa in der Stadt Wuppertal. Über alle Maßen großzügig soll ein christdemokratischer Bauunternehmer aus Wülfrath, Uwe Clees, im Jahre 1999 den Wahlkampf des Oberbürgermeisters der Stadt, Hans Kremendahl (SPD), gesponsert haben. Der offizielle Rechenschaftsbericht der Bundes-SPD für 1999 verzeichnet eine Spende in Höhe von 250 000 Mark von Clees. Ein Christdemokrat finanziert einen Sozialdemokraten? Alles scheint möglich. Weitere 250 000 Mark ließ Clees von einem Konto seiner Firma Wicküler Park an die SPD fließen, allerdings im Namen von zwei Freunden.

Einer seiner Strohmänner war Frank Noatnick. Den Brandenburgischen Bauunternehmer, der vermeintlich 200 000 Mark an die SPD spendete, hatte Clees bei seinen Aktivitäten für den Aufbau Ostdeutschlands kennengelernt. In Senftenberg in der Lausitz hatte sich Clees mit dem städtischen Beigeordneten Peter Gallasch (SPD) angefreundet, der ihn mit Noatnick zusammenführte.

Für die enge Freundschaft zwischen Gallasch und Clees interessiert sich inzwischen die Neuruppiner Staatsanwaltschaft. Anfang vergangener Woche ließ sie die Wohnung von Gallasch sowie Büroräume im Rathaus durchsuchen und beschlagnahmte zehn große Kartons mit Akten und Unterlagen. Einen Tag später suspendierte der Hauptausschuss des Stadtrates von Senftenberg Gallasch und erteilte ihm Hausverbot für das Rathaus. Denn Gallasch steht unter dem Verdacht, von Clees geschmiert worden zu sein. Dafür soll der ehemalige Amtsdirektor seinen langjährigen Bekannten beim Bau einer Wohnsiedlung im Ortsteil Brieske bevorzugt haben. Wenn es zu einem Prozess kommt, drohen ihm drei Jahre Haft.

Während Gallasch aus der SPD ausgetreten ist, um einem Parteiordnungsverfahren zuvorzukommen, ist für den Wuppertaler Oberbürgermeister Kremendahl die sozialdemokratische Welt noch in Ordnung. Dabei ermittelt auch gegen ihn die Staatsanwaltschaft. Sie verdächtigt ihn, sich bei Clees für dessen Großzügigkeit revanchiert zu haben, indem er den umtriebigen Unternehmer bei großen Bauprojekten bevorzugte.

Doch die Wuppertaler Sozialdemokraten halten noch zu Kremendahl. Auf ihrem letzten Unterbezirksparteitag am 13. April stärkten sie ihm mit stehenden Ovationen den Rücken. Wuppertals SPD-Vorsitzende, Vera Dedanwala, klagte, gegen Kremendahl laufe »eine Kampagne der Vorverurteilung und politischen Vernichtung«. In diese Kampagne schaltete sich am vergangenen Donnerstag die Düsseldorfer Bezirksregierung ein. Wenn der Verdacht eines Dienstvergehens vorliege, müssten Vorermittlungen aufgenommen werden, verkündete der Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD).

Doch Kremendahl klammert sich an sein Amt. Er habe keinem Spender »jemals Anlass zu der Annahme gegeben, dass etwaige Spenden an meine Partei sich auf meine Amtsausübung auswirken könnten«. Außerdem habe die Annahme und die Verwendung von Spenden seiner Partei und nicht ihm oblegen. Sein Verteidiger habe der Bezirksregierung inzwischen eine 90seitige Stellungnahme vorgelegt. Darin würden alle Vorwürfe »umfassend und wirksam« entkräftet. Nur einen Fehler hat Kremendahl bisher eingeräumt: Die Höhe der Spende von Clees »war geeignet, einen falschen Anschein hervorzurufen«.

Aber warum spendete ein Christdemokrat einem Sozialdemokraten so viel Geld, wenn er nichts davon gehabt haben soll? Der Wuppertaler SPD-Ratsherr Jürgen Specht hat dafür eine einfache Erklärung. Clees habe wohl gespendet, weil bei den Bauprojekten unter der bis 1999 regierenden rot-grünen Mehrheit »nichts mehr richtig vorangegangen« sei. Der Bauingenieur Specht weiß, wovon er spricht, denn er ist selbst im Rechenschaftsbericht der SPD aus dem Jahre 1999 mit einer Spende von 180 000 Mark vertreten.

Ob das Geld von ihm stammt oder ob er nur als Strohmann diente, beschäftigt inzwischen auch die Wuppertaler Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt ohnehin schon gegen Specht, da er in Verdacht steht, von zwei Unternehmern insgesamt 153 000 Mark an Schmiergeldern angenommen und dafür Bauprojekte gefördert zu haben. Im August 2001 wurde er kurzfristig wegen Verdunklungsgefahr festgenommen. Einer seiner Gönner ist Uwe Clees, ein anderer der Geschäftsführer der Hellweg-Baumärkte, Johannes Peter Schnitger. Eine GmbH des Sohnes von Specht soll von Schnitger 30 000 Mark erhalten haben, damit der Politiker den Neubau eines Baumarktes unterstützte.

Schnitger ist darüber hinaus auch in Bonn aktiv. Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn und Michael Salitter, einen Ratsherrn der CDU, der zugleich Vorsitzender des Bauausschusses ist. Schnitger soll Salitter 500 000 Mark für ein Jugendzentrum geboten haben, um die Errichtung eines Baumarktes zu beschleunigen.

Auch die Bonner Christdemokraten stecken tief im Sumpf. Schließlich sitzt seit dem 8. April der bisherige Vorsitzende ihrer Ratsfraktion, Reiner Schreiber, unter Korruptionsverdacht in Untersuchungshaft. Bei ihm geht es um noch höhere Summen. Der 60jährige ist über drei Beraterverträge gestürzt, die er mit Firmen abgeschlossen hatte, die entweder wirtschaftlich mit den Bonner Stadtwerken verwoben oder vom Technologiekonzern ABB zur »Landschaftspflege« benutzt worden waren.

Die Ermittler nehmen an, dass Schreiber seine Geldgeber über Angebote der Konkurrenz informiert hat. Bei den Millionenprojekten ging es um die Sanierung eines Heizkraftwerks, die Errichtung der Bonner Müllverbrennungsanlage und um die geplante Teilprivatisierung der städtischen Abfallentsorgung.

Seit Anfang des vergangenen Jahres ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Bestechlichkeit gegen Schreiber, der früher Stadtdirektor und Chef der Stadtwerke (SWB) war. Die Staatsanwaltschaft entdeckte ein Schweizer Konto mit 1,5 Millionen Euro. Schreiber soll das Geld während seiner Zeit als SWB-Chef angelegt haben. Er ist im Übrigen gut bekannt mit Norbert Rüther, dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD im Kölner Rathaus, der den Spendenskandal seiner Partei auslöste. Bis zu Rüthers Abgang im März gehörten beide dem Aufsichtsrat des Köln-Bonner Flughafens an. Doch das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Der Bauunternehmer Uwe Clees ist jedenfalls nicht mehr Mitglied der CDU. Seine Mitgliedschaft sei im Juli 2000 beendet worden, teilte die Partei mit. Er habe seine Beiträge nicht gezahlt.


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